Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
seine Aufmerksamkeit auf
mich zu lenken. Er entschuldigte sich bei seinem Gesprächspartner und schenkte
mir sein ganzes Augenmerk.
„Geliebte
Schwester, was kann ich für dich tun?“, fragte er in amüsiert-mokiertem Ton.
Ach nee, plötzlich konnte er wieder nett zu mir sein. Wahrscheinlich diente es
zur Tarnung für die anderen Anwesenden.
„Ich
möchte dich einer Bekannten vorstellen. Würdest du bitte mit mir kommen?“ Lady
Sydenhams Begleiterinnen gehörten auch zu denjenigen Damen bei Hofe, denen die Knie
schwach wurden, sobald sie Phils ansichtig wurden, wie ich schon mehrfach
beobachtet hatte. Und ich wusste auch, dass sie bisher noch keine Gelegenheiten
gehabt hatten, ihm persönlich vorgestellt zu werden. Wenn nun also mein Plan
aufginge, dann wären die Damen mehr als erfreut, dass ich mich zu ihnen
gesellte, denn somit konnten sie endlich ihrem Objekt der Begierde nahe sein,
ohne gegen irgendwelche Anstandsregeln zu verstoßen. Ohne meine Absichten
infrage zu stellen, ließ Phil sich von mir zu den kichernden jungen Damen
führen. Eine der Frauen, Anne Vavasour, wurde auf uns aufmerksam und
schlagartig wurden sie still. Voller Erwartung sahen uns die drei Damen an.
„Ladys
darf ich Euch meinen Bruder, Sir van Berger, vorstellen? Philemon, dies sind
die Ladys Sydenham, Vavasour und Rich“, stellte ich die Damen der Reihe nach
vor, während Phil sich einzeln vor den Damen zur Begrüßung verbeugte.
Was
hätte ich in diesem Moment für meine Kamera gegeben. Das Bild, das die Damen
boten, wäre es wert gewesen für die Nachwelt festzuhalten. Ihre Augen
leuchteten voller Vorfreude auf, eine feine Röte überzog ihre Wangen, sie
benahmen sich wie Teenager beim Abschlussball der Tanzschule. Der Atem ging ein
wenig kürzer und eine der Dreien fuhr sich mit ihrer Zunge kurz über die
Lippen. Ob es aus Nervosität geschah oder doch nur zum Befeuchten der Lippen
diente, damit sie einen feuchten Glanz bekamen, konnte ich nicht beurteilen.
Ich konnte es nicht fassen, wie sich die Damen Vavasour und Rich verhielten.
Lady Rich war immerhin verheiratet und auch Anne Vavasour war vergeben, wenn
auch nicht verheiratet, aber sie war die Dauergeliebte des Earls of Oxfords.
Und da standen die beiden und hielten maulaffenfeil, lediglich Lady Elizabeth
behielt ihre Contenance und musterte Phil mit gelangweiltem Blick. Ihren
Freundinnen zuliebe blieb sie jedoch und zog nicht ihre übliche Show ab und
verschwand von jetzt auf gleich.
„Ladys,
ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Gleichzeitig möchte ich es nicht
versäumen, Euch dafür zu danken, dass Ihr meine Schwester so großzügig in Euren
Kreis aufgenommen habt.“ Peng, das saß! Bisher hatten sie sich einen feuchten
Dreck um mich gekümmert und mich ignoriert, wo es nur ging. Mit dieser
Bemerkung hatte er ihnen jeglichen Wind aus den Segeln genommen.
„Aber
Sir, das ist doch nicht der Rede wert. Gerne nehmen wir eine so wohlgeborene
Dame unter unsere Fittiche“, hatte Lady Rich auch noch die Frechheit zu
erwidern. Langsam wurde mir das echt zu viel. War ich denn ein
Kindergartenkind, dem man ein Schnitzel um den Hals hängen musste, damit
wenigstens die Hunde mit einem spielten? In meinem Fall hieß das Schnitzel halt
Phil, kaum hatte er sich eingemischt, ging es wie geschmiert, die Damen waren
nett zu mir und wir unterhielten uns angeregt. Phil blieb noch eine Weile bei
uns stehen, beteiligte sich kurzzeitig an unserem Gespräch, bevor er sich
höflich entschuldigte und sich wieder von uns entfernte. Er ging wohl davon
aus, dass ich hier nicht allzu viel Unsinn anstellen konnte, wie bei meinem Gespräch
mit Walsingham.
Und
das Wunder geschah: Trotzdem Phil uns verlassen hatte, eilten sie nicht davon,
sondern unterhielten sich weiterhin mit mir. Mir wurde auch schnell klar,
warum, denn Lady Vavasour sprach, es direkt an:
„Sagt,
ist Euer Bruder vergeben? Oder wartet in Eurer Heimat eine Ehefrau oder
Versprochene auf ihn?“ Wo kam denn diese Rücksichtnahme bei ihr her? Immerhin
kümmerte es sie doch auch nicht, dass ihr derzeitiger Liebhaber verheiratet
war. Wie gerne hätte ich ihr erzählt, dass zu Hause eine Großfamilie und eine
liebende Ehefrau auf ihn warteten.
„In
der Tat ist mein Bruder noch zu haben. Er ist auf der Suche nach einer
geeigneten Jungfrau, die seine Baronin wird.“ Ich legte besonderen Wert auf die
Betonung des Wortes Jungfrau, denn man konnte vieles von Frau Vavasour
behaupten, aber dass sie Jungfrau war, ganz gewiss
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