Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
Müh hervor .“
Mit
Beendigung ihres Vortrags traten die beiden ab und das Stück nahm seinen, mir
bekannten, Lauf. Anfänglich war es noch ungewohnt für mich auf eine nahezu
leere Bühne zu schauen und sich vorzustellen, wir seien in Verona. Doch nach
einer kurzen Phase der Eingewöhnung war ich dermaßen fasziniert, dass ich mich
einzig auf die Schauspieler und das Stück konzentrierte, sodass das fehlende
Bühnenbild nicht mehr ins Gewicht fiel. Auch die Tatsache, dass alle
Frauenrollen von Männern gespielt wurden, konnte ich nach kurzem Befremden
verdrängen, die Handlung zog mich komplett in ihren Bann. Mit einem Blick
behielt ich jedoch weiterhin den Eingang der Loge im Auge, immer darauf
wartend, ob nicht doch noch die beiden Kerle vom Vortag hereinkamen. Doch
nichts dergleichen geschah. Nach gut zwei Stunden voller Dramatik und Spannung
näherte sich das Stück dem Ende zu und noch immer rührte sich nichts und
niemand. Hatten wir doch die Falschen erwischt? Das war nahezu unmöglich, es
gab keinen weiteren Sir Robert Spencer, das hatten wir geprüft. Was also war
schiefgegangen?
Der
letzte Akt ging zu Ende, das Publikum brach in Begeisterungsstürme aus;
lauthals applaudierte und jubelte es. Fassungslos blickte ich auf die Bühne
herab. Erst jetzt begriff ich, dass ich tatsächlich bei der Welturaufführung
eines der bekanntesten Stücke der Theatergeschichte dabei gewesen war. Völlig
von dieser Euphorie ergriffen, vergaß ich für einen Augenblick den wahren Grund
für meine Anwesenheit in diesem Theater.
Eine
Bewegung der Frau, die hinter Sir Robert saß, erregte meine Aufmerksamkeit, sie
schien irgendetwas an ihrem Kleid zu nesteln. Wahrscheinlich ein Taschentuch um
sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, dachte ich mir. Doch im nächsten
Moment sah ich die behaarte Hand und den kurzen Dolch, den sie in der Hand
hielt. Das war keine Frau, das war einer unserer Mörder!
„Phil,
die Frau hinter Spencer, das ist ein Kerl und er hat einen Dolch in der
Hand!", rief ich ihm zu und zeigte auf die Reihen vor uns. Der tosende
Applaus und die Jubelschreie der Zuschauer verschluckten meine Worte, aber Phil
folgte mit seinem Blick meinem Arm und verstand sofort, was ich meinte. Mit
einem Satz sprang er auf und konnte gerade noch verhindern, dass die „Lady“
Lord Spencer den Dolch in den Rücken stieß. Er stürzte sich mit seinem ganzen
Körpergewicht auf den Angreifer und riss ihn mit zu Boden. Die umliegenden
Zuschauer empörten sich über Phils Benehmen und waren kurz davor ihn zu
verprügeln, wenn sich beim Sturz zu Boden nicht die Maske vom Gesicht der
angeblichen Frau gelöst hätte. Statt eines zarten weiblichen Antlitzes kam ein
bärtiges Männergesicht zum Vorschein. Der Kerl rappelte sich behände vom Boden
auf und wollte schon mit seinem Dolch auf Phil losgehen, da wurde er von einem
der umliegenden Edelleute mit seinem Schwert niedergestochen. Einfach so, ohne
zu zögern, hatte er ihn erstochen! Ich konnte es nicht fassen. Der Killer
schaute ungläubig auf das Blut, das in Strömen aus ihm herausfloss, und blickte
dann zu dem Mann hin, der ihn erstochen hatte. Er wollte noch etwas sagen, doch
dann klappte er nach vorne über und lag regungslos am Boden. Der Mann, der ihn
niedergestochen hatte, verschwand in der Menge und ich verlor ihn aus den Augen.
War es etwa sein Kumpan gewesen, der seinen Mitwisser aus dem Weg hatte räumen
wollen? In dem ganzen Tumult hatte niemand mehr auf William geachtet, da sich
alle nun um Sir Robert tummelten und sich nach seinem Wohlergehen erkundeten.
Vergeblich versuchte ich William in der Box ausfindig zu machen, doch er schien
vom Erdboden verschluckt.
„Phil,
wo ist William? Hast du ihn gesehen?“, rief ich durch die Menge zu ihm. Er
schüttelte den Kopf und sah sich ebenfalls suchend um. Der Junge blieb
verschwunden.
Sollte
das mörderische Duo doch Erfolg gehabt haben? Wenn William verschwand und nicht
mehr auftauchte, war diese Linie der Spencers ausgelöscht und unsere Geschichte
wäre für immer geändert. Wie sich das auf mein Leben auswirkte, konnte und
wollte ich mir nicht ausmalen. Entmutigt ließ ich mich wieder auf meinen Hocker
sinken, der Gedanke raubte mir jegliche Kraft. Tränen der Enttäuschung und Wut
rannen über mein Gesicht.
Ich
suchte am Gürtel nach meinem Taschentuch, dabei fiel mir meine Maske aus der
Hand, die ich kurz zuvor abgenommen hatte. Reflexartig bückte ich mich nach
vorne um sie aufzuheben und mein Blick
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