Einsiedler der Ewigkeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)
bedienen gewesen, die die Plutoniumstäbe wieder hochgefahren hätten und den Atomzerfall bremsten.
Van der Neuzen erkannte jetzt, dass der verantwortliche Ingenieur ein hoffnungsloser Versager war. Er hatte in seiner Angst sogar vergessen, die Schaltung zum Laser-Versuchsmodell zu blockieren.
Die in den Laser eingebaute Kerr-Zelle – eine verbesserte Erfindung der sechziger Jahre – sammelte die Stromstöße und würde sie erst freigeben, wenn der Laser restlos »vollgepumpt« war.
Jeder Hilfsarbeiter in dem großen Werk wusste , was dann geschah.
Ein Lichtblitz regte die Chromatome an, deren Elektronen in die äußere n Bahnen des Atomkerns sprangen und beim Zurückspringen in die engeren Bahnen ein Lichtquant abgaben, das zur spontanen Anregung der anderen Elektronen führte. Die äußerste Nennleistung betrug nahezu achthundert Millionen Watt.
Van der Neuzen fühlte fast körperlich, dass die Kerr-Zelle jeden Moment die gespeicherte Energie abgeben musste.
Bei der hohen und schnellen Beschickung würde es einen Impuls geben, der sich nicht nur darauf beschränkte, die als Versuchsmodell stehende Stahlplatte von zwanzig Zentimetern Stärke zu durchschlagen, sondern darüber hinaus sämtliche Wandungen in glutflüssigen Brei verwandeln würde.
Außerdem blieb noch etwas als drohendes Schreckgespenst zurück.
Titan, der Reaktor, konnte durchgehen!
Van der Neuzen sah, wie Ervest, der verantwortliche Ingenieur, jetzt in heller Panik zu rennen begann. Er musste erkannt haben, dass die Laser-Versuchskanone jeden Augenblick ihre gespeicherte Energie in Form eines ultragrellen Blitzes abgeben konnte.
Van der Neuzen konnte von seinem Beobachtungsstand aus nicht die Anlage abschalten, er war nur für die Zusatzschaltungen verantwortlich.
Die Halle unter ihm wurde merklich leerer. Die Männer verließen fluchtartig ihre Plätze und rannten zum anderen Ende hinüber.
Als ob das noch irgendeinen Zweck hätte, dachte van der Neuzen grimmig.
Der Reaktor war jetzt zu einem bösen Tier geworden. Er grollte, bebte und vibrierte mit einem Höllenlärm, der jedes Geräusch übertönte.
Er war »kritisch«, das wusste van der Neuzen bereits, aber das war kein Grund zur Besorgnis. Jeder neue Reaktor war im Anfangsstadium kritisch, die hohen Temperaturen kühlten erst in einem längeren Zeitraum ab. Typen der sechziger Jahre benötigten dazu mitunter annähernd zwei Jahre, ehe sich der enorme Wärmestau mäßigte.
Noch einmal brüllte er durch die Zusatzverstärkungen der Lautsprecher. Zwecklos, niemand hörte ihn mehr.
Die Gefahr begann jetzt akut zu werden. Dabei war der Reaktor selbst erst das kleinere Übel. Wesentlich gefährlicher war das große Laser-Versuchsmodell, das jetzt auf dem Drehkranz immer schneller zu rotieren begann.
Für den Bruchteil einer Sekunde wies das Abstrahlrohr hinauf zu ihm, dann schwenkte es weiter und zeigte auf den oberen Reaktorteil.
Van der Neuzens Herz drohte stillzustehen. Jetzt erst erfasste er richtig, weshalb die Techniker so kopflos davongelaufen waren. Sie hatten die Gefahr noch eher erkannt als er. Dennoch hätte es einen beherzten Mann unter ihnen geben müssen, der die tobende Anlage unterbrach.
Van der Neuzens bleiches Gesicht stierte auf die Kontrollen, di e nun weit über die normalen Messwerte hinausgingen. Fluch der Technik!
Das Schlimmste war, dass die Anlage vollautomatisch lief, er selbst war lediglich in der Lage, die Robotgeräte zu steuern, welche die Zielplatte mit dem Laser treffen sollten. Alles andere war programmiert und lief nach einem genauen Zeitplan ab.
Van der Neuzens Hand fuhr ruckartig nach unten.
Jenseits der Abschirmgitter schmorten bereits die freiliegenden Kontakte. Aus den Automaten schossen meterlange Blitze.
Hunderttausend Volt! Dabei betrug die Überschlagsspanne fast genau einen Meter.
Die Schaltung für die be wegliche Zielplatte war nun blockiert. Aber das Abstrahlrohr kreiste noch immer. Wenn die thermischen Energien in die Reaktorwand fuhren, würden sie selbst den hochwertigen Stahlbeton durchschlagen.
Van der Neuzen hatte die Platte im Fünfundvierzig-Grad-Winkel vor die Abschirmwand geste uert. Wenn der Zufall es wollte und das rotierende Geschütz die Platte traf, musste sich der glutende Laserstrahl durch zwanzig Zentimeter starken Stahlplast fressen. Der thermischen Auftreffenergie würde somit die größte Wucht genommen, noch bevor sie die Wandungen erreichten.
Wenn – dachte der Physiker. Natürlich konnte der
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