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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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»Links-rechts-Symptom«, einer Störung im Autogenen Training, bei
dem man sich krampfhaft einzureden versucht, der rechte Arm sei strömend warm und
schwer, die Wirkung aber paradoxerweise am entgegengesetzten Arm auftritt. Einer
hatte Progeria adultorum , was Betroffene 30 Jahre älter aussehen lässt. Ein
anderer wurde vom Alien-Hand-Syndrom gepeinigt, bei dem man ständig von der
eigenen, außer Kontrolle geratenen Hand gewürgt wird.
    Fast alle
klagten über verspannte Muskeln, eingeklemmte Nerven und träge arbeitende Verdauungssäfte.
Dass Lebewesen in Führungspositionen unter solchen Umständen handlungsfähig bleiben,
gehört zu den größten medizinischen Wundern überhaupt. Wahrscheinlich ist es der
unbedingte Wille, Reibach zu machen und an der Macht zu bleiben. Verlöre das Geld
plötzlich seinen Wert, dann fielen sie in sich zusammen wie leere Fahrradschläuche.
    Einige glaubten,
sie hätten als Kind den Wunsch gehegt, ihren Vater umzubringen. Vier litten darunter,
dass sie Gott beschimpft hatten. Zwei nahmen an, sie würden von Außerirdischen bedrängt.
Wobei der stellvertretende Aufsichtsratvorsitzende von General Motors sicher war,
dieser Außerirdische sei in Wirklichkeit ein Agent aus der Geschäftsleitung von
Fiat, Turin.
    »Was meinen
Sie, Albert?«, fragte Georgs Bruder Hans am Ende meines Vortrags. »Ein Fall für
die Tee-Therapie?«
    »Wir finden
hier die typische Problem-Melange. Ich rate eher zu innerer Einkehr.«
    »Was verstehen
Sie unter Einkehr?«
    »Es gibt
keine Heilung ohne die Gnade Gottes.«
    »Im Ernst?
Sie meinen, unsere Patienten müssten gläubig werden, um zu genesen?«
    »Niemand
außer Gott kennt die genauen Fakten, die zu ihren Problemen führen. Deshalb sind
alle Diagnosen streng genommen hypothetisch. Der Grund dafür ist wissenschaftstheoretischer
Art und liegt im sogenannten Induktionsproblem, also der Schlussfolgerung von allen
bekannten auf alle weiteren Fälle.«
    »Induktionsproblem
…?«, fragte er sichtlich irritiert.
    »Die Sache
mit den schwarzen und weißen Schwänen. Noch Anfang des vorigen Jahrhunderts schloss
man aus der Tatsache, dass alle bekannten Schwäne weiß waren, alle Schwäne seien
weiß. Dann tauchten die ersten schwarzen Trauerschwäne aus Australien auf.«
    »Verstehe
ich Sie richtig, Sie haben keine Therapie? Ihr Tee-Rezept hat mir sehr geholfen.«
    »Manchmal
funktioniert’s. Auch das war Gnade.«
    »Was ist
mit Yoga, Biofeedback, Scientology, Verhaltenstherapie oder Chiropraktik?«
    »Ich rate
Ihnen, alle Methoden auszuprobieren, die Erfolg versprechen. Nehmen Sie das Ergebnis
wie es kommt. Haften Sie nicht an Ihren Wünschen. Arrangieren Sie sich mit dem Negativen.
Bewirken Sie Positives, soweit es in Ihren Kräften steht.«
    Mit diesen
Worten ließ ich eine ratlose Zuhörerschaft zurück. Man hatte Wunder erwartet, bekam
aber nur simple Allerweltsratschläge.
    Als ich
mich nach dem schwachen Beifall meiner Zuhörer im Foyer des Instituts anzog und
meinen Jackenkragen hochschlug, um nicht erkannt zu werden, nahm mich ein Vier-Sterne-General
beiseite.
    »Ihr Realismus
hat mir außerordentlich imponiert«, flüsterte er mir zu. »Ich habe Ihre Sendungen
mit dem Dalai Lama gesehen. Im Weißen Haus ist man bereits auf Sie aufmerksam geworden.
Der Präsident würde Sie gern zu einem Gespräch einladen.«
     
    Holly Chappells Wohnung am Central
Park war rechtzeitig zur Geburtstagsparty bezugsfertig geworden. Ich schenkte ihr
von meinen Honoraren ein riesiges geblümtes Sofa, in das sie sich während eines
Schaufensterbummels verliebt hatte.
    Eigentlich
war es schon reserviert, aber ich war einfach nach Queens zur Käuferin des Möbels
gefahren und hatte der alten Dame eine rührselige Geschichte über die größte Liebe
meines jungen Lebens erzählt und dass ich die Gunst dieses Mädchens nur erringen
würde, wenn sie das passende Geburtstagsgeschenk bekam.
    Holly Chappell
fiel aus allen Wolken, als ihr Traumsofa angeliefert wurde. Ihre Wohnung lag in
der zwölften Etage inmitten eines üppig bepflanzten Dachgartens. Als ich hereinkam,
lagen Stapel der neuesten Ausgabe von TIME Magazine auf den Kommoden, von denen
mich mein Konterfei angrinste. Ich fand, ich war mal wieder so unvorteilhaft getroffen,
dass mich von diesem Augenblick an jeder Hamburger-Verkäufer in sämtlichen Bundesstaaten
der USA an meinem Adamsapfel identifizieren würde.
    »Du bist
jetzt eine Berühmtheit«, sagte Holly und küsste mich auf die Stirn. »Hast du

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