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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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über eine so lange Strecke im Auge zu behalten.
Das Gelände im südlichen Teil der Nordschleife ist besonders unwegsam, kein Weg
für Spaziergänger.
    Als ich
im Wasser zwischen dichtem Gehölz und überhängenden Weiden einen langgestreckten
Schatten in Form eines Körpers gewahrte, wusste ich, dass ich gefunden hatte, wonach
ich suchte.
    Ich ging
bis zur Brust in den See und hielt meinen Kopf unter die Wasseroberfläche. Es war,
als wenn man in ein riesiges Aquarium blickte. Luftblasen stiegen auf und Schleier
aus Myriaden winziger Lebewesen trieben vor mir her. Alles schien voller Leben.
Algen, Blätter, winzige Fische. Nur der menschliche Körper dort hinten lebte nicht
mehr. Das aufgedunsene Gesicht des Todes …
     
    Von einer Telefonzelle West 110th
Street rief ich die Polizei an. Die Obduktion der Leiche ergab, dass es sich um
die vermisste Assistenzärztin Vanessa Fields handelte. Man nahm an, dass sie auf
der Flucht vor Witzigmann ins Wasser geraten war und sich wegen der Dunkelheit nicht
mehr aus dem morastigen Seegrund hatte befreien können. Der Schlüssel in ihrer Manteltasche
passte zum geparkten Wagen am Rande des Parks. Und in ihrer ledernen Umhängetasche
befand sich die – glücklicherweise wasserdicht verschlossene – Blechdose mit Einsteins
Gehirn. Der Umstand, dass sich das Gehirn noch in ihrem Besitz befunden hatte, machte
es wahrscheinlich, dass Witzigmann die Wahrheit gesagt hatte.
     
    Vor meiner zweiten Untersuchung
im Institut für Kernspintomografie bekam ich einen Anruf.
    »Jetzt halten
Sie sich fest, Albert«, sagte der Redakteur des TIME Magazine. »Sie haben gerade
eine Einladung von Papst Benedikt bekommen.«
    »Sie meinen
nach Rom?«
    »Der Vatikanstaat
ist immer noch eine Enklave innerhalb Roms und daran wird sich auch so schnell nichts
ändern. Warum fragen Sie? Hat’s Ihnen die Sprache verschlagen?«
    »Kalkutta
oder Neapel, was Sie wollen – aber nicht Rom.«
    »Was haben
Sie gegen Rom?«
    »Im Prinzip
gar nichts. Ich bin nur momentan Opfer einer unseligen Prophezeiung.«
    »Sie meinen,
so was wie das Wunder von Fátima in Portugal?«
    »Eher das
Wunder des Central Parks.«
    »Ich kann
Ihnen nicht ganz folgen?«
    »Tut auch
nichts zur Sache. Das Universum treibt immer mal wieder kleine Spielchen mit uns.
Wie ist der Papst denn ausgerechnet auf mich gekommen?«
    »Sie sind
jetzt eine weltberühmte Persönlichkeit, Albert. Papst Benedikt hat schon viel von
Ihnen gehört. Da liegt es nahe, Sie zur Audienz zu bitten. Nichts Besonderes, nur
ein kleines Gespräch, wie es alle Tage mit geladenen Besuchern stattfindet. Selbstverständlich
übernehmen wir die Reisekosten, wenn Sie uns ein Exklusivinterview gewähren.«
     
    Übernahme der Kosten hörte sich
gut an. Das Geld aus meinen Honoraren ging nämlich langsam zur Neige. Schließlich
weiß man nie, zu was man fähig ist, wenn man finanziell in die Enge getrieben wird. Mit dem Wohlstand verschwindet auch das Böse, das uns aus dunklen Zeiten vererbt
ist – Alfred Nobel.
    Ein bezeichnendes
Beispiel für unsere moralische Anfälligkeit war meine Schwester. Sie hatte sich
auf dem Schwarzen Markt eine Neunmillimeterautomatik besorgt und ein paar Probeschüsse
in einem stillgelegten U-Bahn-Tunnel abgegeben. Jetzt drohte sie damit, Herbert
ins Jenseits zu befördern. Sie sagte, so etwas passiere in den USA jeden Tag. Es
gehöre sozusagen zu den amerikanischen Umgangsformen.
    Natürlich
versuchte ich, Anja von ihrem hirnrissigen Plan abzubringen.
    »Wozu die
Ballerei? Im Moment ist es zum Beispiel gerade Usus, sich Sprengstoffgürtel umzubinden.
Aber muss man denn jede Mode mitmachen, um in den Kreis der himmlischen Jungfrauen
aufgenommen zu werden?«
    »Soll das
ein Witz sein, Pottkämper? Ich bin keine Jungfrau mehr. Dieser Zug ist längst abgefahren.«
    Aus physischer
Sicht war dem wohl nicht zu widersprechen. Also lud ich meine Schwester erst einmal
zum Eis ein. Sie liebte verrückte Eiskreationen, je höher und durchgeknallter desto
besser. Amarettokirschen, in die Gesichter von Zwergen und Nymphen eingeschnitzt
waren, und Ananasscheiben mit Hintergrundbeleuchtung.
    Wir setzen
uns an einen Tisch am Säulendurchgang, wo uns die Junkies nicht wegen Zigaretten
oder Tabak behelligten. Am Nachmittag kamen sie nämlich in diesem Viertel immer
aus den Metroeingängen, um die Gegend abzugrasen.
    »Sag mal,
Anja, wusstest du eigentlich, dass am Waldrand hinter dem Haus zwei unserer Brüder
begraben liegen?«
    »Klar, Mutter
brachte vor

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