Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
fühlen
Sie sich nach dieser Neuigkeit, Albert? Sind Sie stolz auf sich?«
»Unverdient
wohl, weil ich das alles schließlich nur meinem Erzeuger zu verdanken habe – und
damit ist noch keines unserer Probleme gelöst. Die menschlichen Tragödien, die aus
Unwissenheit, Habgier und Hass entstehen. In diesem Moment wird überall auf der
Welt geschossen, gemeuchelt, vergewaltigt und unterdrückt. Unsere Wünsche und Meinungen
sind uns noch allemal eine Leiche wert.«
»Daran ändert
auch ein erweitertes Bewusstsein nichts, wollen Sie sagen?«
» Alle
Erleuchteten sind voll des Wissens, aber sie haben von nichts eine Ahnung –
Dalai Lama.«
30
In den folgenden Tagen fühlte ich
mich wie verwandelt. Manchmal hüpfte ich über die Straße, als sei ich schwerelos.
Was schmeichelt
dem eigenen Ego mehr, als Sohn eines solchen Geistesgiganten zu sein? Dann wieder
schien es, als hätte ich die ganze Erdenlast zu tragen. Angeblich soll sich Buddha
mit den Worten verabschiedet haben: Seid euch selbst ein Licht! Trotzdem
war er genauso von Schmerzen geplagt wie jeder andere Sterbliche.
Mein Scheck
vom TIME Magazine wollte und wollte nicht kommen. Der Redakteur ließ sich verleugnen
oder hatte anderes im Sinn. Ich zählte mein restliches Geld und kam zu dem Schluss,
dass es kaum noch für zwei Flüge nach Europa reichen würde, falls Anja genauso knapp
bei Kasse war. Es gibt im Leben Zeiten, in denen man der unangenehmen Wahrheit ins
Auge blicken muss.
Aber so
lange man sie auch anstarrt: SIE WIRD NICHT EINFACHER DADURCH!
Also mietete
ich mich in einer billigen Absteige an der Central Station ein. Ein dunkles Loch
mit dem Geruch von verschimmelten Bettdecken und modrigen Teppichen. Immerhin gab
es nur eine Tür und an der Schmalseite rechts vom Bett stand ein Kleiderschrank,
der nicht sprechen konnte.
Im Treppenhaus
hauste eine Bande minderjähriger Herumtreiber. Auf dem Rückweg von einem Liquor-Store
baute sich ihr Anführer vor mir auf und sagte:
»Hey, Alter,
welcher Jahrgang bist du eigentlich? Hier im Viertel betrachten wir alte Leute nämlich
als Sicherheitsrisiko. Dir wächst doch schon das Moos aus den Ohren …«
Er war in
eine Art Gardine mit silbernen Glöckchen gewickelt, als wolle er damit demonstrieren,
was er von der herrschenden Kleidermode hielt.
»Was machst
du denn selbst in ein paar Jahren, wenn du das als Problem ansiehst?«, sagte ich.
»Klapsmühle, Selbstmord oder Therapie?«
Meine Frage
schien ihn irgendwie ratlos zu machen. Er kratzte sich unschlüssig am Kinn; schließlich
nahm er eine leere Bierdose und ließ sie über die Autodächer hüpfen …
»Hast du
schon mal über deinen Tod nachgedacht?«, erkundigte er sich. »Wie würdest du sterben
wollen, wenn du die Wahl hättest?«
»Na, zum
Beispiel angesäuselt in einem Fass Single Malt Whisky ertrinken …«
»Nicht in Four Roses ?«, fragte er und zeigte auf die Flasche unter meinem Arm. Dann
wandte er sich leise pfeifend wieder seinen Kumpanen zu und trat ein paar Beulen
in die Autotüren am Straßenrand.
Auf dem Weg zum Reisebüro lief mir
Angel in die Quere. Sie schleppte eine gelbe Plastiktasche, in der sich Wäsche und
ein Schal mit dem Bild einer kroatischen Wahrsagerin befanden. Der Schal hing über
den Rand des Plastiksacks, und je länger ich das Gesicht der Wahrsagerin betrachtete,
desto sicherer war ich, dass sie mich angrinste.
Angels Gesicht
war vor Anstrengung gerötet. Es war klar, dass sie mich gleich um Hilfe bitten würde.
»Na, so
was …«, sagte sie, »das Schicksal scheint es wohl auf uns abgesehen zu haben?«
»Das Schicksal?«
»Als wenn
wir zusammengehörten.«
»Ich bin
schon in good old Germany mit einem Mädchen liiert.«
»Wie heißt
die Glückliche denn?«
»Charlotte.«
Angel war
sichtlich enttäuscht. Sie betrachtete prüfend ihr Profil in der Schaufensterscheibe.
Ihr Busen mochte in der Zwischenzeit um etwa zwei Millimeter gewachsen sein, doch
das rechtfertigte noch keineswegs, ihr einen Heiratsantrag zu machen.
»Und immer
noch zieht sie ihren Pullover stramm, aber niemand sieht mehr hin …«, murmelte ich
so leise, dass sie es nicht verstehen konnte.
Angel kaufte
sich bei einem fahrenden Händler eine Tüte Süßigkeiten und begann, Unmengen kandierte
Nüsse in sich hineinzustopfen. Wahrscheinlich zum seelischen Ausgleich. Das Zeug
war mit bunter Zuckerglasur überzogen und hatte mindestens zwölftausend Kalorien.
Als sie
fast fertig war, reichte sie mir den kümmerlichen
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