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Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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auch anderen davon erzählt hat? Oder noch erzählen wird, wenn sie demnächst ...?
    Als hätte sie meine Gedanken erraten, sagt sie: »Fritzi, was ich hier gehört habe, wird diesen Ort nicht verlassen. Ich bin gern hier, alle sind freundlich und behandeln mich gut. Ich habe nicht die Absicht, jemandem zu schaden.«
    Aber du könntest es!, denke ich, und sie merkt mir wohl an, dass ich es denke, denn mit einem Mal wird es ziemlich still zwischen uns, während ich ihr mechanisch Wäscheklammern anreiche, bis der Inhalt des Korbes auf der Leine hängt.
    Dann sage ich: »Du könntest es nämlich nicht zurücknehmen. Selbst wenn du wolltest.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Glaubst du, das wüsste ich nicht?«
    Langsam gehen wir zum Haus zurück. »Du kannst mir trauen«, bittet Lore. »Ich weiß doch, dass dein Onkel solche Witze nur macht, wenn er getrunken hat, und dann zählt es nicht.«
    Was bleibt mir übrig? Ich bleibe stehen, sie auch, und wir schauen uns in die Augen. »In Ordnung. Ich vertraue dir«, erkläre ich nach einigen Sekunden.
    Vertrauen – was heißt das schon? Aber jetzt ist ein Wort in ihrem Kopf, an das sie sich erinnern wird, wenn sie je in Versuchung gerät, etwas über meine Familie zu verraten.
    Lexis Bett sieht aus wie ein Schlachtfeld. Erst gegen Morgen muss der Schlaf sie bezwungen haben, irgendwann war das Licht in ihrem Zimmer aus und als ich zum Frühstück hinunterging, war von ihr nichts als ein dunkler Schopf und ein Arm zu sehen, der seitlich aus der Decke hing. Sie lag mit dem Gesicht zuunterst, wie ein Soldat, dem man von hinten in den Rücken geschossen hat.
    »Lexi ist eine Schlafmütze«, meint Tante Ina, die offenbar keine Ahnung hat von unserem Problem, »vor dem Mittagessen kommt sie nie aus dem Bett, es sei denn, Onkel Yps hält ihr einen Wecker ans Ohr, weil er sie auf die Pirsch mitnehmen will.«
    Diesmal hat sie sich geirrt, es ist erst halb elf und »die Gräfin Alexandra« liegt bereits in ihrem bestellten Morgenbad. An der Treppe begegne ich Jette, die eine pechschwarze Tasse Kaffee nach oben trägt. »Das Zimmer mach ich gleich anschließend, Fräulein Philippa. «
    »Ach du Schreck«, murmele ich auf der Türschwelle.
    Der Luftzug aus den offenen Fenstern hat ganze Arbeit geleistet: Wie die bunten Blätter eines Herbststurms verteilen sich Lexis Papiere über Bett und Fußboden. Sogar im Blumenstrauß steckt eins und beginnt passenderweise mit den Worten: Mein liebster Schatz! Es wird ihr nicht recht sein, dass ich es aufsammle – aber besser ich als Jette. Akkurat beschriftete Zeichnungen, mehrere Briefe ... ich versuche alles diskret aufzuheben, ohne zu lesen.
    Bis mir plötzlich mein eigener Name entgegenspringt!
    Wenn man den eigenen Namen im Brief einer zweiten an eine dritte Person entdeckt, sollte man besser die Finger davon lassen. Dieses Wissen sollte zum Allgemeingut zählen: Lesen verboten! Nichts wie weg!
    In wenigen Sekunden wird mein Leben um diese Erkenntnis bereichert sein.
    »Ich habe meine Nichte Fritzi aus Berlin mitgebracht«, steht dort geschrieben, »gerade vierzehn geworden, aus undurchsichtigen Gründen aus der erweiterten Kinderlandverschickung (2 Jahre!!) ausgebüxt und total entfremdet von ihrer Mutter. Eine geballte Ladung Sprengstoff, die jeden Moment hochgehen kann, und zwischendurch wieder so süß und aufmerksam, dass es einen noch trauriger macht. Almut ist ganz verzweifelt. Ach Niko, in diesen Zeiten Kinder zu haben ...! Willst du es dir nicht überlegen? Entschuldige, das meine ich nicht ernst, das weißt du, aber für michselbst bin ich im Augenblick wieder ganz froh, dass es nicht hat sein sollen. Meine Professur ist übrigens so gut wie durch, die Arbeit war mit ›sehr gut‹ bewertet. Es könnte Straßburg werden, im Herbst weiß ich mehr ...«
    Wenigstens hätte ich bei ihrer Mutter entfremdet aufhören sollen, um mir Almut ist ganz verzweifelt zu ersparen, gar nicht zu reden von dem, was danach kommt. Sprengstoff, gut, das ist in Ordnung, so kommt es mir selber vor, aber froh, dass es nicht hat sein sollen ...? Wieso muss ich das gleich zwei, drei, vier Mal hintereinander lesen? Als könnte ich es nicht beim ersten Mal schon glauben: Ich mache Lexi froh, dass sie keine Kinder hat.
    Das ist das Schlimmste. Ich glaube, etwas Schlimmeres kann man einem Menschen nicht sagen. Nicht, dass sie es gesagt hätte, zumindest nicht mir, aber das macht es nicht besser. Wie ein Schwert stecken die Worte in meiner Brust: Froh,

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