Einzelkaempfer
mir, der ich melancholisch am Ufer hocke. Heiner, kräht schon wieder meine schrullige Mutter, träum nicht, iss deinen Teller leer. Lass mich in Frieden! Hätte ich das doch jemals zu ihr sagen können. Doch immer die Angst im Nacken vor ihren ziellosen Schlägen. Haken dran – 44 Jahre und immer noch ein kleiner Junge in Momenten, wo Hunger, Durst und Ausweglosigkeit mich plagen.
Wie auf Bestellung gellt die Stimme Freddie Mercurys durch die schummrig beleuchtete Bar: Mama, just killed a man ... Soweit ist es ja noch nicht gekommen und ich hieve meine müden Knochen auf einen lederbezogenen Hocker, stütze schwer die Arme auf den blank geputzten Tresen, bestelle einen Kaffee. Ich sehe fürchterlich aus, fast erschrocken treffe ich die Feststellung als ich beim Umschauen plötzlich meinem Spiegelbild gegenüber sitze. Zwischen all den Spirituosenflaschen sieht mich ein alter Mann an, die grauen Haare kleben ihm feucht und ungepflegt um den Schädel, hängen in dünnen Strähnen seitlich bis auf die Schultern, sein Bart lässt ihn wie einen Penner aussehen. Ich reibe mir die Schläfen, der Mann gegenüber tut es mir gleich. Angewidert wenden wir uns voneinander ab. Spieglein, Spieglein an der Wand, du bist das gnadenloseste im ganzen Land. Mama, I sometimes wish I’d never been born at all ... schön, dass es anderen auch schon mal so geht, denke ich, während Freddie Mercury nachsetzt: I’m just a poor boy and nobody loves me … Heiner Himmel, ermahnt mich der Advokat, wenn du weiterhin hier so trübe rumsitzt, wird sich daran auch nichts ändern – mach dich mal frisch! Aber gründlich! Keift meine Mutter – Mama mia let me go ... Ich steure das WC an, ein Schwung kaltes Wasser wirkt manchmal Wunder. Es stinkt merkwürdig, ein Gemisch aus Fäkal- und Raumluftspraydüften umwabert meinen Geruchssinn. Ich werde mich beeilen. Zum Glück ist nicht viel los hier und ich muss niemandem begegnen, denn es ist mir immer sehr unangenehm, mich in eine Reihe pissender Männer einzugliedern, um mein kleines Geschäft zu verrichten. Ladies, es ist nämlich nicht zwangsläufig so, wie in dem Film ›Die nackte Kanone‹, mit Leslie Nielsen, der als Polizeichef fröhlich wedelnd sich ins Urinal ergießt, ein Liedchen auf den Lippen, ein Fürzchen durch die Backen presst – na ja, wobei letzteres doch ... anyway the wind blows, endet Queens Bohemian Rhapsody.
17
Mäßig erfrischt, die Haare wieder halbwegs ordentlich zum Zopf gebunden setze ich mich auf meinen Platz an der Theke, vor mir die Tasse dampfenden Kaffees. Ausgehungert schiebe ich mir den beigelegten Keks in den Mund, halte inne und kaue langsam, denn er ist mein Abendbrot. Offensichtlich hat der Barmann mich beobachtet. Mit einem Zwinkern schiebt er mir ein Schüsselchen Cracker zu. Ich nicke dankend. Mein linkes Augenlid beginnt nervös zu zucken, noch so eine Sache auf die ich im Moment keinen Einfluss habe. Verdammt! Der Kaffee tut gut und ich bestelle einen weiteren, ebenso bitte ich um das Telefon. Dummerweise kenne ich die Nummer des falschen Hasen nicht, daher rufe ich Rudi an, der hat alle Telefonbücher im Dreiländereck und ist garantiert erreichbar.
»Ich wollt doch schon immer mal hierher. Ja, Sightseeing. Reisen bildet. Nein, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Alles im Schritt, äh Griff und Danke für die Auskunft«, beende ich das Gespräch mit Rudi, und es war im Großen und Ganzen noch nicht mal gelogen. Ich mag die Niederlande, besonders auch die Nordsee – steife Brisen bin ich ja gewohnt, am Rande des Westerwaldes. Mit Verwunderung hat er registriert, dass ich aus dem Nachbarland anrufe. Ich habe ihm nichts weiter von meiner dubiosen Mission erzählt, denn, sagt auch Kalle, besser er weiß nichts, dann kann er auch nichts sagen. Was hätte ich auch schon erzählen können, was ihn nicht beunruhigt und davon überzeugt hätte, dass ich einen an der Klatsche haben muss. Vor meinem inneren Auge spielen sich dramatische Szenen ab, wie maskierte Männer Susanne in die Zange nehmen, um Rudi meinen Aufenthaltsort abzupressen. Ich schüttle mit dem Kopf um die Bilder loszuwerden, denn ich muss mich jetzt auf das Telefonat mit dem falschen Hasen konzentrieren. Ich brauche eine Strategie, wenn ich nicht wie ein Volltrottel dastehen will: Du, ich weiß auch nicht, was passiert ist, der Wagen ist weg ... Nein, so jämmerlich würde ich nicht ansetzen. Angriff ist die beste Verteidigung, Attacke! Dieser leichtfertige Ausbruch Kalles
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