Einzelkaempfer
unwirklichen Gegend wie das laute Zuknallen des Höllentors hallt. Ich schließe ab, meine Finger sind eiskalt. Fang du jetzt bloß nicht an zu weinen, du spielst doch sonst so’n harten Mann ... singt Klaus. Der hat gut intonieren, war er mal in meiner Lage? Wenn ich nicht zu einer unhöflich späten Zeit bei Ad an der Tür klingeln will, sollte ich mich langsam in Trab setzen, mosert der Advokat. Das einzig Lebendige in der unwirklichen Szenerie bin ich und sähe ich nicht mein Atemwölkchen sich auflösen, könnte mir unverzüglich unheimlich werden. In leichtem Dauerlauf jogge ich die Straße hinauf bis zur nächsten Kreuzung. Hat auch was Gutes, die leicht erhöhte Schrittgeschwindigkeit, man kann die Schilder besser lesen. Hier muss es um die nächste Ecke gehen. Nach weiteren fünf Minuten stehe ich vor einem kleinen Flachdachhäuschen, das ziemlich verwaist wirkt. Überall wuchert Grünzeug, das gespenstische Schatten wirft, nur angestrahlt vom fahlen Mondlicht. Vor mir eine eiserne Pforte, die obenauf Spitzen wie Pfeile und damit etwas Abschreckendes hat. Sie ist nur angelehnt, so dass ich hindurchschlüpfen kann ohne sie zu bewegen. Wahrscheinlich hätte sie zum Erbarmen aufgeschrieen, hätte ich ihre alten Angeln bewegt.
Dunkel war’s, der Mond schien helle, schneebedeckt die grüne Flur, rezitiert Kalle. Kein Licht dringt aus dem Häuschen. Ich tappe in einem halben Bogen rechts um den Wohnkarton und erwische einen Blick in den Garten. Er ist ein Schrottplatz. Autoteile schemenhaft überall, deutlich vor mir, ein altes Fahrrad von Efeu bewachsen, weiter erkenne ich nichts, doch höre ich ein leises Knurren hinter mir. Augenblicklich bleibt mir der Atemzug im Halse stecken, auf halbem Wege in die Bronchien. Ich hab’s nicht so mit Hunden, erst recht nicht seit dem Tag, an dem ich einen von der Gattung ›Oh, ist der süüüß‹ im Muskelfleisch meiner linken Wade stecken hatte. Kennen Sie das Gefühl? Die Oberflächenspannung meiner Haut verändert sich spürbar, ich verharre ansonsten bewegungslos, gut, das Augenlid zuckt, aber das wird der Hund hinter mir kaum bemerken. Angstschweiß wird er riechen. Langsam drehe ich mich um. Nicht in die Augen blicken, auf die Ohren oder den Schwanz, oder war es umgekehrt? »Hallo, jemand zuhause?«, frage ich erst leise, der Hund rührt sich nicht, dann rufe ich lauter, richte dabei meinen Blick auf einen entfernten Punkt in der Galaxie. Wie versteinert stehen Hund und ich im dunklen Garten. Zeitstillstand.
»Adolf, bij voet!«, schnauzt sein Herrchen nach einer Weile, die mir ewig erscheint. Ad tritt aus einer Seitentür, Adolf, der deutsche Schäferhund springt neben ihn, um sich den Kopf streicheln zu lassen. Zwei Augenpaare ruhen auf mir.
Es wäre nicht sein Hund, erklärt Ad entschuldigend den Humor seines Schwagers, als wir kurz drauf in seinem Wohnzimmer sitzen, zu meinen Füßen das abgerichtete Tier. Ein bisschen erstaunt sei er schon, ob seines späten Gastes, sagt er, freue sich aber, mich zu sehen. Während er in der Küche hantiert, er habe leider nicht viel im Haus, heiße Schokolade könne er anbieten – genau das Richtige, versichere ich – arbeitet mein Hirn auf Hochtouren. Wie weit soll ich Ad ins Vertrauen ziehen? Gar nicht, traue niemandem, raunt Kalle eindringlich. Da gebe ich ihm Recht, meint der Advokat. Erzähle nur soviel wie nötig. Erfinde den Rest. Am Thema vorbei, fällt mir die immer wiederkehrende Bemerkung meiner Deutschlehrerin ein, die ich fast unter jedem meiner Aufsätze stehen hatte. Es waren eben blöde Themen. Das schönste Ferienerlebnis und so, Sie kennen das. Ich hatte jedenfalls keine schönen Ferien damals, so hatte ich beschlossen, eine Lucky Luke Folge zu erfinden. Frau Kleinschmidt konnte ich damit nicht überzeugen. Ob ich Ad einen Bären aufbinden konnte? Schweigend trinke ich das süße Getränk, das belebend auf mich wirkt. Ich fühle mich langsam besser. Das alte Ledersofa ist ausgesessen und ich hocke genau in einer Kuhle, wie in Abrahams Schoß. Ad zaubert noch ein Käsebrot herbei, es ist das köstlichste, das ich seit langem gegessen habe, ein bisschen trocken vielleicht. Ich erzähle Ad von meinen Schwierigkeiten mit dem Porsche. Ich hätte ihn im Hafen an einen Kunden übergeben sollen, doch der war nicht erschienen. Stundenlang hätte ich dort in der Kälte gewartet. Mein Boss, Betreiber eines Mietwagen-Services, gab mir die Anweisung, bis morgen hier zu bleiben, er würde herausfinden, was schief
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