Einzelkaempfer
das jetzt nicht klappt, beschließe ich. Wieder rauf auf den Rand. Mit Macht in der rechten Ferse trete ich in die Rohrbiegung hinter der bräunlich besprenkelten Keramik. Die Gesamtkonstruktion gerät aus den Dübeln, der Kasten neigt sich, fest verbunden mit dem Rohr, in meine Richtung. Ich weiche mit dem Kopf ein wenig aus, mitten hinein, in die Wucht des auffliegenden Badezimmerfensters, dessen Griff mich an der Schläfe trifft ... ›Alles so schön bunt hier‹, kreischt Nina Hagen, bevor mir schwarz vor Augen wird.
25
Es regnet. Mitten in mein Gesicht, in die Augen, die Nasenlöcher und meinen Mund, der sich ein bisschen taub anfühlt. Ich liege auf dem Rücken wie ein alter Kakerlak, der sich hat übertölpeln lassen. Kalte Fliesen unter mir, keine Regenwolken über mir. Blutgeschmack. Ich bin in Ads Bad und das Nass kommt aus dem Zulauf der Klospülung. Vorsichtig blicke ich mich um. Die Tür ist eingetreten, vielmehr rausgetreten und ich erhasche einen Blick auf wieselflinke Turnschuhe. Die kenne ich doch. Hanna. Ich hänge immer noch an dem Rohr, rapple mich mühsam auf. Autsch – eine Scherbe hat sich in meine Hand gebohrt. Ich schaue genauer. Es ist keine Scherbe, sieht eher aus wie die Spitze meines Eckzahns. Meine Zunge tastet sich vorsichtig an die bewusste Stelle im Oberkiefer und kann nur noch einen wackligen Stumpf fühlen. Hoffentlich ist nichts gebrochen, meint der Advokat. Hast du eine gute Krankenversicherung?
Das muss einer dieser Zahnausfallträume sein – Heiner, Zeit aufzustehen. Im Traum habe ich keine Schmerzen, nur die Realität tut weh. Nach der harschen Begegnung mit dem Fensterknauf und dem Sturz vom Klo bin ich wahrscheinlich mit der Schnauze auf dem Beckenrand aufgeschlagen. Mein Schädel dröhnt wie eine Mega-Viel-Watt Box auf einer Superdome-Party – umpfumpfumpf – jeder Herzschlag ein satter Beat. Mir ist schlecht, mein Kreislauf springt im Karree. Jetzt bloß nicht kübeln. Ich erinnere mich an meinen ersten und einzigen Joint, der mir überhaupt nicht bekam. Wie eine Endlosachterbahn in einer WG auf dem Wellersberg, no way out. In Wellen hatte sich auch mein Mageninhalt die Speiseröhre hinauf bewegt. Meine Aufrappelversuche lassen Hanna auf mich aufmerksam werden. Sie taxiert mich mit einem mitleidigen Blick und will wieder verschwinden. Doch mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden auf offener See am Fuße eines Eisbergs ergreife ich eine ihrer schlanken Fesseln, worauf eine zierliche Lilie tätowiert ist und lasse nicht mehr los. »Zum Teufel noch mal«, flucht mein Engel, »okee, ich werde dir helfen, aber dann trennen sich unsere Wege – lass los!« Ich klammere. »Lass los!« Ich trau ihr nicht. »Nun lass endlich los! Wie soll ich dich sonst vom Rohr befreien?« Das Argument hat was für sich und ich lasse los. Mit einem kraftvollen Kick trennt sie die angeknackste Verbindung des Rohrs mit dem Spülkasten und ich kann die Handschelle über das offene Ende ziehen. Bevor sie sich aus dem Regen machen kann, habe ich sie jedoch geschnappt: »So nicht. Ich komme mit.« Der ohnmächtige Adolf scheint zu Bewusstsein zu kommen. Auf der Flucht begegnet mir ein angeschwollenes hässliches Gesicht im Spiegel. Du siehst verdammt Scheiße aus, kommentiert Kalle. Ja, verdammt. Wenn du das gewusst hättest, wärst du mit dem Kopf besser in der Schüssel verschwunden, statt dich an den Damenfuß zu klammern, hähä. Zu spät, Mann, ja, ja, lach du nur ... wer den Schaden hat ... Sie jedenfalls hat keine Zeit für Diskussionen und gemeinsam verlassen wir den Wohnkarton. Bonny and Clyde.
»Halt, hab noch was vergessen«, lisple ich mehr als das ich spreche, sie verdreht die Augen. Ich renne noch mal rein, Adolf torkelt an mir vorbei – der wird ein Drogenproblem kriegen, wenn er so weiter macht – ich hole den Zettel mit der Handy-Nummer und stürze hinaus. So eben schaffe ich den Sprung auf die Beifahrerseite des Ford-Transits, bevor Hanna Vollgas geben kann. Die Puppe wollte wohl ohne dich weg. So wie du aussiehst, kein Wunder. Halt die Klappe Kalle, sonst schick ich dich ins Heim. »Blute mir nicht das Auto voll«, kriege ich von links zu hören und sie drückt mir ein olles Knäuel Putzwolle auf die Brust. Ich tupfe, sie stöhnt genervt, wie eine Mama, deren Kind zum dreiunddreißigsten Mal ins enge Fach der Beifahrertür gekotzt hat. Tut mir leid, dass ich hier bin. Nicht ganz richtig, nur wäre ich gerne unter anderen Umständen hier, neben ihr, die ihren
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