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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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rostigen Metallsplittern ausweichend, folge ich. Das ist doch nie im Leben der Zahnarzt, ereifert sich der Advokat. Wahrscheinlich bringt er dich zu ihm, mutmaßt Kalle. Nichts dergleichen ist richtig. Jan hält mir die Tür zu seinem Bauwagen auf und reicht mir eine Flasche Absinth. »Drink.« Ich trinke. Als ich nach einem ordentlichen Schluck absetzen will, lässt er mich durch ein aufmunterndes Kopfnicken erahnen, ich soll wieder ansetzen. So geht das fünfmal, ich gehorche, da ich denke, dass der Mann seinen Grund haben wird, außerdem schmeckt das Zeug mit jedem weiteren Schluck etwas besser. Während ich mich auf die OP vorbereite, spannt Jan meine Hand samt Schelle in einen Schraubstock, holt eine kleine Säge und ritsche ratsche, ich mag gar nicht hinsehen, bin ich das Fangeisen los. Kommt jetzt der Zahnarzt, fragt Kalle. Wer ist denn hier besoffen? Das ist der Zahnarzt, belehre ich den Grünschnabel. Westernhagen stimmt das Taximann-Lied an: Ich bin ganz schön betrunken ..., ich summe leise mit.
     
    Doc Jan jagt eine getigerte Katze von einem fussligen Schaffell. Bedächtig räumt er das Fell auf einen Stapel alter Zeitungen. Die öligen Nockenwellen, die durch das Fell bedeckt waren, legt er sorgfältig auf die staubige Drehbank. Eine alte Kaffeemaschine, die hinter den Nockenwellen gelegen hat, wirft er auf eine Karosteppdecke, die in einer Ecke des Wagens zusammen geknuddelt auf dem Boden liegt. Was räumt der da eigentlich frei, will der pingelige Advokat wissen, wobei er unmerklich die Nase kraus zieht. Nachdem Jan eine Regenplane und ein Nackenstützkissen der Kaffeemaschine hinterher geworfen hat wissen wir es: Einen alten Zahnarztstuhl. Ich scheine immer noch in dem Video-Clip fest zu hängen. Ein Hip-Hopper zeigt rhythmisch mit seinen zu Satanshörnern ausgestreckten Fingern auf mich und sprichtsingt Unverständliches. Babbadabadabadababa. Jan bugsiert mich auf den freigewordenen Stuhl, ich beginne herab zu rutschen, doch der Mann ist schnell mit ein paar Spanngummis zur Stelle und schnallt mich an. Zipp, Zapp, Rübe ab, rufen die Kinder im Chor. Die Saubande, so nannte sie mein Vater, nachdem er um Nasenhaarbreite einem Attentat entkam. Die sechs Jungs des Bauern, auf dessen Hof in der Heide wir unsere einzigen Familienferien verbrachten, hatten entdeckt, wie viel Freude der Wettstreit mit Ninja-Wurfsternen bereitet. Ein Mädchen hatten die Bauersleute auch. Charlotte, die süße Lotte. Niedlich war sie schon, aber so was von eingebildet. Die trug die Nase so hoch, dass sie sie einziehen musste, während die Geschosse durch die dampfende Luft eines regenreichen Sommers surrten.
     
    Jan packt mein Kinn, wie eben Hanna – scheint wohl hier so üblich zu sein – schüttet noch ein bisschen Absinth in meinen Schlund, dass ich husten muss und kniet sich mit einem Werkzeug in der Hand auf meine Oberschenkel ... ich will nach Hause, Taximann, Taximahaann, singen die Damen im Background. Er betrachtet das Instrument, schüttelt den Kopf, wischt es an einem Lappen ab und desinfiziert es mit dem Rest aus der Absinth-Pulle. Jetzt scheint er zufrieden und lächelt gefällig. Warum wehrst du dich nicht, fragt Kalle mit bibbernder Stimme. Keine Ahnung, wahrscheinlich zu viel Alkohol auf nüchternen Magen, lass dir das eine Lehre sein, nuschle ich zurück und packe den Mund fest zu. Vielleicht überlegt sich der so genannte Zahnarzt die Therapie noch mal. Keine Chance, er sperrt meinen Kiefer wieder auf, wendet dazu einen geübten fiesen Griff an und führt das Instrument in meinen Mund. Ich höre, wie die Zange zupackt. Jan murkst bedächtig in mir herum, nicht wie ich es erwartet hätte mit einem tüchtigen Ruck, nein, sehr vorsichtig zieht er den Zahn mit der Zange mal in die Richtung, mal in die andere. Die dadurch entstehenden Geräusche in meinem Kopf erinnern mich an das Entwurzeln eines alten, stämmigen Baumes in Zeitlupe und mit Verstärker. Vom Saufen ist mein Gesicht halbwegs gelähmt und so verspüre ich lediglich einen unangenehmen dumpfen Schmerz, der zu ertragen ist. Das sieht aus ... schüttelt der Advokat den Kopf ... du solltest dich mal sehen! Ja, Mann, meine Lage ist bescheiden, ich weiß. Jan ist fertig und zeigt mir stolz den abgebrochenen gezogenen Zahn. Wenn ich nicht angeschnallt wäre, könnte ich Beifall klatschen, ich grinse schief und ohne, dass ich es verhindern könnte fällt mir das Kinn auf die Brust. Das gibt nen Schädel, ohauahaua. Wie eine Puppe wuchtet mich Jan aus dem

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