Einzelkaempfer
betörenden Duft verströmt, was ich durch meine benebelten Sinne aufsaugen kann. Sie scheint einen siebten Sinn zu besitzen, denn gerade als ich zu einer Frage ansetzen möchte, sagt sie: »Ich will nichts von dir hören, keine Fragen, kein Gejammer.« Was hält sie von mir? Ich fühle mich gekränkt, ein wenig nur. Schüttle es ab. Das Spiel der beleidigten Leberwurst hatte ich vor vielen Jahren aufgegeben, es brachte mir nichts ein. Verlorene Zeit. So was lernt man in einer festen Beziehung. Sie tätschelt versöhnlich mein Knie – armer schwarzer Kater. Nun reicht es aber. »Sicher«, sag ich, »setz mich einfach an der nächsten Kreuzung ab.« Meine nackten Zehen krallen sich in die raue Fußmatte.
Kennen Sie das? Man hat etwas gesagt, doch es erfolgt keinerlei Reaktion darauf, so dass man das Gefühl bekommt, man hätte gar nichts gesagt, sondern nur gedacht, etwas gesagt zu haben. So geht es mir im Moment. Hanna kutschiert durch die Stadt. Sie drängelt und zappelt auf dem Fahrersitz, als der alte Mann vor uns nicht fahren will. »Duck dich«, erhalte ich den Befehl. Klar, gib‘s mir nur ordentlich denkend, ducke ich mich. »Kannst wieder hoch kommen.« Kurz überlege ich aus Trotz unten zu bleiben, da ich mich respektlos behandelt fühle. Das wäre nun wirklich zu albern, sagt ausgerechnet Kalle. Sabbre nicht, frag nicht, duck dich. An der nächsten Ampel dreht sie meinen Kopf zu sich, zieht unsanft mein Kinn herab und schaut sich das Malheur mit meinem Zahn an. Sie taxiert deinen Wert, wie bei einem Pferd. Noch zur Zucht geeignet oder besser für die Fleischtheke, lästert der Advokat. Schön, dass ihr alle zu mir haltet. »Sah schon mal besser aus«, lalle ich durch den halb geöffneten Mund. »Der Stummel muss raus. Wir fahren zu einem Freund von mir, einem Zahnarzt.« Die Ampel wird grün, der Transit jault auf und quält sich im oberen Drehzahlbereich aus der Stadt hinaus.
26
Mir ist kalt. Durchnässt und barfuss, bekleidet mit einem T-Shirt worauf ein jetzt blutbesprenkelter Linus eine schmutzige Schmusedecke hinter sich herzieht – ein trauriges Bild. An meiner Fahrerin scheint der Regenguss aus dem Spülungszulauf abgeperlt zu sein. Sie sieht einfach toll aus. Berlin, es regnet, die Frisur hält, die Werbekaufmannsausbildung ist Schuld an den Phrasen in meinem Kopf. Ich will das gar nicht. Landluft strömt durch die Heizungsschlitze. Die Wintergülle schäumt in den Behältern und musste offenriechlich dringend über niederländischem Boden niedergehen. Der Gestank begleitet uns eine ganze Weile, bis wir in ein kleines Wäldchen abbiegen. Nach 50 Metern versperrt ein rostiges Eisengatter mit einem verbeulten Schild den Weg, worauf so etwas Ähnliches wie Verzinkerei steht. Die Verwahrlosung ist keine gute Werbung, möchte der Advokat mich in ein Gespräch ziehen.
Behände springt Hanna aus dem Wagen, zieht einen Schlüssel aus der Hosentasche, öffnet das Vorhängeschloss und das Gatter. Als wir durchgefahren sind, springe ich etwas weniger behände aus dem Wagen und schließe das rostige Tor. Weiter geht die holprige Fahrt bis zu einer schrabbeligen Wellblechhalle. So also lebt im Nachbarland ein Zahnarzt. Na, da soll meiner in Deutschland mal ganz leise über die Reformvorschläge lamentieren, meint Advokat.
»Okee«, sagt Hanna, der meine Skepsis nicht entgangen ist, »er war mal Zahnarzt«, sie grinst. Ein wenig schadenfroh, wie mir scheint, versucht Kalle mich gegen sie aufzubringen. Ein kleiner rundlicher Mann in blauer, öliger Schmuddel-Latzhose kommt, die Arme ausgebreitet, freudestrahlend auf uns zu. Wir steigen aus und Hanna wird herzlich empfangen, ich mit meinem Handgelenk-Schmuck zurückhaltend beäugt. Die beiden scheinen sich sehr gut zu kennen, sie gehen Arm in Arm ein Stück aus meiner Hörweite und flüstern an- und aufgeregt. Man scheint sich über das weitere Vorgehen geeinigt zu haben. Hanna stapft mit großen Schritten zum Transit, ihr Freund stößt ein verwittertes Tor zu einer alten Scheune auf, worin der Ford verschwindet. Ich höre das zweimalige Treten eines Kickstarters, ein Knattern und hinter der Scheune kommt Hanna hervor, braust mir einen Gruß zuwerfend auf und davon. Ich fühle mich wie in so einem hektisch zusammen geschnittenen Video-Clip. Drück mal einer die Pause-Taste, bitte.
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» Mijn naam is Jan. Hoe heet jij?”, fragt der Rundliche mit den Apfelbäckchen. Ich antworte und er sagt: »Kom.« Vorsichtig, Scherben und
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