Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
soll ich sagen, keine Sympathie da, und ohne diese Art Grundverständnis kann ich mich nicht kreativ entfalten.«
Die Wut prickelt nur so durch meinen Körper. Ich ärgere mich weniger über seine Worte, da ich im Grunde das Gleiche denke, ich ärgere mich darüber, dass Moritz sie ausgesprochen hat und nicht ich.
»Ich werde darüber nachdenken«, verabschiede ich mich. Während die Wagentür hinter mir ins Schloss fällt und ich im Hauseingang verschwinde, ist mir jedoch klar, dass ich längst eine Entscheidung in dieser Sache getroffen habe.
7.
Verliebt, verlobt und fremdgegangen
F ührt man ein Leben in einer Beziehung, teilt man Probleme mit einem Mann, die man alleine nicht gehabt hätte!«, dringt Susans Stimme durch das Schlafzimmer.Meine Finger fliegen über die Computertastatur, so schnell sie nur dem Diktiergerät folgen können. Nicht selten halte ich Susans Stimme an und denke über ihre Worte nach, während mein Blick aus dem Fenster über das Balkongeländer hinweg in den Kölner Sommerhimmel schweift. Hat Frau Winter recht, mit dem was sie sagt? Irgendwie klingt es verlockend. Und grotesk. So leicht soll das Glück zu erreichen sein, wenn ich die Einzige bin, die dafür verantwortlich ist? Ist das Leben als Single tatsächlich erstrebenswerter und näher an den eigenen Bedürfnissen als ein Leben in emotionaler Abhängigkeit? Und bin ich glücklich? In meinem jetzigen Zustand? Als Single?
Ja.
Ja, ja, ja.
Und früher? Wenn man meinem Tagebuch Glauben schenken soll, das ich aus einer der Schreibtischschubladen unter einem Berg von Unterlagen hervorziehe, ist die Antwort eindeutig.
Nein!
Je länger ich darin lese, desto treffender erscheint mir die Bezeichnung Klagebuch statt Tagebuch. Ich habe die Seiten exakt in der Mitte des Buchs aufgeschlagen. Hier bin ich siebzehn und habe soeben meine Zahnspange, die Unschuld und meinen Freund verloren. Damals fragte ich mich: Wenn ich schon alles dreiverlieren musste, warum hat diese dämliche Kuh von Melanie dann statt meiner ersten großen Liebe nicht die alte Zahnspange bekommen? Ich blättere weiter. Auf Seite sechsundsechzig schreibe ich:
… Bei meiner Vermutung, dass das mit Melanie und Robert höchstens ein paar Tage andauert, habe ich mich wohl schon um ein paar Tage und gute weitere sechs Wochen verschätzt. Doch die Probleme werden kommen, wenn die ersten Blütenblätter der frischen Liebesknospe abfallen und sich dann der Mistkäfer, das wird meine Rolle sein, langsam über sie hermacht. Ich meine, das ist doch so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er zu mir zurückkommt …
Liebesknospe? Meine Güte, was die Pubertät mit einem anstellt. Ich lasse meinen Blick über die Dächer wandern und wünsche den Teenagern dieser Großstadt Ausdauer. Mädels, die Liebesknospen-, Blütenblätter-, Mistkäferzeit geht definitiv vorbei!
Mein Blick lässt die Wölkchen am Himmel los und wandert zum Schreibtisch zurück. Ich mache das Diktiergerät an, höre, stoppe, schreibe, knapp zwei Stunden lang, während meine Lippen sanft zu lächeln beginnen. Ja, ich bin glücklich. Ich schreibe und bin glücklich. Susan nähert sich ihrem abschließenden Satz, der sich sogleich auf dem Bildschirm des Computers wiederfindet. In meinem ganzen Körper bis in die Fingerspitzen breitet sich ein Gefühl tiefster Zufriedenheit aus, bis das Tape des Diktiergeräts kurz rauscht. Ich wandere mit der Maus auf das Speicherfeld und strahle. Im nächsten Moment erfüllt Frederiks Gestöhne mein Schlafzimmer, sein tiefes Atmen und Japsen und Christina, wie sie seinen Namen ruft.
Mir stockt das Herz.
Schlagartig ist das Glück verschwunden.
Genauso wie Atem, Puls und Gehirnfunktion.
Ich drücke hektisch auf den Knöpfen des Diktiergeräts herum, laufe damit durch mein Schlaf- und Wohnzimmer in die Küche.
Was mach ich nur?
Was mach ich nur?
Was mach ich nur?
Aufhören!
Wieso lässt sich das Ding nicht abstellen?
Verflucht!
Ich kann …
Ich muss …
Verdammt!
Wo ist …
Hilfe …
Die Mikrowelle!
Ohne weiter darüber nachzudenken, öffne ich die Mikrowelle, werfe Frederik und sein Gejapse nach mehr hinein, schließe die Tür und drücke auf alle Knöpfe, bis das Diktiergerät analog zu meinem Glücksgefühl zerspringt.
Langsam kommt der Puls zurück, die Atmung reguliert sich, und die Gehirnfunktionen nehmen ihre Arbeit wieder auf.
Zufrieden betrachte ich die Überreste durch die Scheibe der Mikrowelle und klopfe die Handflächen aneinander, als
Weitere Kostenlose Bücher