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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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wiederum von Frau Sondtheim waren, nur um mich mit Tim wiedervertragen zu können und ihm einen Versöhnungs-Latte macchiato bei mir in der Küche anzubieten. Der Plan war eigentlich, mich langsam über den Küchentisch mithilfe einer halbleeren Tiramisuplatte an ihn heranzumachen, um seinen Willen zu testen. Tim lächelte jedoch nur und erklärte: »Anna, wir Männer trinken keine Versöhnungslatte, wir haben eine.«
    Damit war die Frage dann geklärt.
    Und das Tiramisu musste nicht mehr geteilt werden. Ich habe es Tim um Mitternacht auf die Fußmatte gestellt, mit einem kleinen, am Computer geschriebenen Zettel, damit niemand meine Handschrift erkennen konnte.
    Lieber Herr Schwarzer,
    das mit den Eierschalen war ich.
    Es tut mir schrecklich leid, dass Sie deswegen mit Frau Lenartz in Streit geraten sind, wie ich im Treppenhaus verfolgen konnte. Dafür dürfen Sie, da ich nun unerträglicherweise in Ihrer Schuld stehe, wenn ich mal nicht da bin, Ihrem heimlichen größten Traum nachkommen, von dem mir Frau Lenartz so freundlich war zu berichten (nachdem ich sie unhöflichst bedrängt hatte), einmal nachts bei Vollmond in meinen Koikarpfenteich zu springen.
    In tiefster Demut
    Frau Sondtheim
    Bevor ich auf Susan Winter zusteuere, werfe ich meine Haare in den Nacken, ziehe den Bauch ein und mache einen geraden Rücken. Voller Zuversicht laufe ich auf mein erstes Interview zu. Ausstrahlung ist alles, sagt man ja. Also versuche ich, mein kompetentes Lächeln unter all den zerknirschten, albernen, müden und aufgedrehten zu finden, die ich sonst gebrauche. Dummerweisekommt ja sogar Ausstrahlung von innen. Daher missglückt mir wohl auch das Lächeln. Oder ist es der Gedanke an mein Diktiergerät, der sich soeben in mein Sei-kompetent-Programm schiebt? Unwillkürlich drossle ich den Gang, lasse davon ab, Susans Lächeln einzufangen, und suche stattdessen nach dem kleinen Gerät in meiner Handtasche, in der Hoffnung, es auch eingepackt zu haben. Ich hatte das Diktiergerät vor einiger Zeit erstanden, um es unter dem Bett von Frederik und mir zu postieren, als mir langsam, aber sicher auffiel, dass Frederiks Trainingsfrequenz so gar nicht zu seiner Körperform passen wollte. Achtung: Wenn Ihr Freund Ihnen erzählt, er gehe viermal die Woche ins Fitnessstudio, er aber nach einem halben Jahr nackt unter der Dusche noch die gleiche Figur macht, dann kaufen Sie sich ein Diktiergerät, und legen Sie es unter Ihr Bett. Danach geht es Ihnen garantiert schlechter.
    Die schlimmste aller Erkenntnisse beim Abspielen des Geräts am nächsten Morgen war, dass Frederik beim Sex mit Christina stöhnte, während er bei mir stumm wie eine Plastikzimmerpflanze war. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich verloren hatte. Es war ja nicht so, dass ich vom Krankenschwesterkostüm über die Liebesdusche bis hin zu den abwegigsten Kamasutrastellungen nicht alles versucht hätte, aber auf die Frage, warum Frederik nicht einen Mucks machte, während ich mich geradezu verausgabte, antwortete er, er wisse nicht, was er darauf antworten solle.
    Als ich meinem damaligen Freund das Diktiergerät zwischen Kaffee und Frühstücksei legte und abspielte, verschluckte er sich fast am Eigelb und guckte mich betreten an. Ohne ein Wort. Auf die Frage, die kurz darauf durch die Küche flog, ob er dazu gar nichts zu sagen habe, fragte er nur trocken zurück: »Habe ich nicht schon genug gesagt?«
    Und irgendwie hatte er damit ja leider so was von recht. Wäredie Situation nicht so deprimierend gewesen und ich mir der Tatsache nicht bewusst, dass Frederik die gewisse kreative Komik in seiner Antwort selbst nicht bemerkt hatte, hätte ich wahrscheinlich laut losgelacht.
    Ich umschließe jenes Diktiergerät mit meinen Fingern, lächle Susan entgegen und denke, seit Frederik nicht mehr da ist, ist mein Leben wieder geordnet.
    »Susan Winter! Es freut mich, Sie kennen zu lernen. Ich bin Anna Lenartz vom MeMa und mache heute das Interview mit Ihnen.«
    Susan reicht mir die Hand und erwidert mein Lächeln zwischen Haarbürste und Puderquaste.
    »Hi Anna! Darf ich Anna sagen? Ich bin Susan.«
    »Gern.«
    »Setz dich doch bitte.« Susan deutet auf einen kleinen zerknautschten Stoffballen neben sich. »Magst du Muffins? Die Requisite backt immer viel zu viel von dem Kram. Greif ruhig zu. Einer dieser Muffins hat genau zweihundertsiebenundfünfzig Kalorien und deckt ideal das Hungergefühl einer durchschnittlich großen Frau zwischen zwei Mahlzeiten ab. Mhm.« Susan nimmt

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