Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
müsse ich sie von Staub befreien. Ha! Frederik von Vögelfrei, da siehst du, nun habe ich dir den Garaus gemacht, denke ich befreit und beschließe, dass ich nun bereit bin für einen Samstagabend unter Frauen, die nur ein Thema haben werden: Wie heirate ich keinen Mann. Nein. Ich meine natürlich, wie heirate ich einen Mann.
*
Einen Spaziergang durch die Kölner Südstadt später, die ins warme Licht der Abendsonne getaucht ist und lange Schatten wirft, welche sich nach mir auszustrecken scheinen, stehe ich vor Astrids Wohnung. Der drei Fenster breite Altbau ragt zwischen benachbarten Hausfronten in Rot und Braun vor mir in den Himmel. Im dritten Stock sind alle drei Fenster weit aufgerissen, und Lena winkt mir aus einem davon, rapunzelähnlich über den Rahmen gelehnt, aus Astrids Wohnung entgegen, noch ehe die von mir gedrückte Klingel durch den Hausflur rattert. Lenas zartes Gesicht wirkt eigenartig zerknautscht.
»Anna, ich …«
»Warte, ich komme rauf«, versuche ich, Lena davon abzuhalten, Unüberlegtes auf die Straße hinunterzubrüllen. Lenas Blick nach zu urteilen wollte sie ganz sicher Unüberlegtes tun.
Geschätzte dreißig abgetretene Treppenstufen später werde ich überschwänglich von Astrid mit einem »Hallo Süße!« begrüßt. Hm. Astrids Mundwinkel zucken. Hier stimmt was nicht. Aus der Wohnung dringen helle Stimmen und der Geruch nach frisch gebackenem Baguette, glasig gebratenen Zwiebeln und Knoblauch.
»Es riecht fantastisch!«, sage ich und gehe sicherheitshalber mal vom Schlimmsten aus, in der Hoffnung, dahingehend enttäuscht zu werden.
»Lena kocht!«, erklärt Astrid und zupft an ihrem viel zu großen T-Shirt, ohne aus dem Türrahmen zu weichen. Ihre rundlichen Wangen unter den dicken Locken sind gerötet.
»Alles okay bei dir?« Ich schiebe mich an Astrid vorbei und höre ihre Worte in meinem Rücken, während ich wie angewurzelt auf der ersten gemusterten Küchenfliese stehen bleibe.
»Ich wollte noch … Ich muss dir sagen, dass … Wir haben überraschend Besuch bekommen.«
Meine Hoffnung auf das Schlimmste erfährt leider keine Enttäuschung.
»Ich sehe es.«
Ich starre in Christinas blaue Augen. Ihre Haut ist karibikgebräunt, ihr Haar goldblond glänzend, ihr Lächeln werbespotgeeignet.
»Astrid hat sie reingelassen!«, sagt Lena und zieht am Saum ihrer Küchenschürze.
»Schon. Aber ich habe ihr gesagt, dass sie nicht bleiben kann«, antwortet Astrid, die sich mittlerweile hilflos die Locken um den Zeigefinger dreht.
…
Dann bewegt sich das Werbespotlächeln.
»Wir sind doch Freundinnen. Wir alle vier!«
Ich versuche, zu lächeln und an den Topf mit den glasigen Zwiebeln zu kommen, um ihn über Christinas Kopf zu kippen, doch der Schock hat meinen Körper fest im Griff und lässt mich nur dastehen wie eine nackte Schaufensterpuppe, die sich nach dem Dekorateur mit der neuen Kollektion unterm Arm sehnt.
*
NOTFALLPLAN NO. 4
ART DES VORFALLS: CHRISTINA (ZUKÜNFTIGE EX VOM EX)
SCHWERE: MITTELGRADIG BIS MASSIV
MAßNAHMENKATALOG:
1. MICH MEINES INNEREN GLEICHGEWICHTS BESINNEN, MEIN GEGENÜBER ALS MENSCH ACHTEN, WIE ER IST, UND DEN LAUF DER DINGE SOWIE DEN TAUSCH DER RINGE ALS REALITÄT ANNEHMEN UND IN DIE EIGENE BIOGRAFIE INTEGRIEREN
ODER WAHLWEISE PUNKT 2:
2. UNVERZÜGLICH BEI DER US-ARMY ANHEUERN UND LERNEN, WIE MAN MIT WENIGEN HANDGRIFFEN SEIN GEGENÜBER AUSSCHALTET
ZEITPLAN: MITTELFRISTIGE PLANUNG MIT SOFORTIGER INBESITZNAHME DES GEISTES VON WAHNHAFTER IDEE
KONTAKTPERSONEN: KEINE! AUS GRÜNDEN EINER GEWISSEN EINWEISUNGSGEFAHR
*
»Können wir nicht noch mal über alles reden? Jetzt, wo Hochzeit und Flitterwochen vorbei sind und sich doch irgendwie alles beruhigt hat?«
Reden? Ich habe keine Zeit zum Reden. Ich muss zur Army.
»Sicher. Reden wir, jetzt, wo sich alles beruhigt hat«, antworte ich völlig ruhig und von mir selbst überrascht, während ich mich frage, ob vor meiner Rekrutierung das Zulegen einer Schusswaffe vielleicht auch ausreichen würde.
»Anna«, setzt Christina erneut an, »dass zwei Menschen sich über den gemeinsamen Freundeskreis kennen lernen und eine Beziehung daraus entsteht, weil eine andere zu Ende geht, kommt, durchschnittlich gesehen, sehr häufig vor.«
»Richtig. Und durchschnittlich gesehen ist einmal die Woche Donnerstag«, antworte ich, um die geeignete Stimme und Schusswaffe bemüht. Christinas Lächeln verliert langsam immer mehr an Standhaftigkeit.
»Vielleicht fahren wir Mädels einfach mal wieder zusammen
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