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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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weiterhin skeptisch sein Profil, als er zum Fenster zurückkehrt und neben mir auf die Dachpfannen des Nachbarhauses starrt.
    »Anna. Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert in meinem Leben. Ich spüre deutlicher denn je, dass ich Verantwortung übernehmen möchte, eine Familie gründen, sesshaft werden.«
    »Für mich hört sich das nach jeder Menge Einschränkungen an.«
    Alex dreht sich zu mir um und tippt mir mit der Fingerspitze auf die Nase.
    »Du kommst auch noch dahinter.«
    Ich greife nach seinem Finger und umfasse ihn.
    »Alex. Du warst schon zwei Mal verheiratet. Vielleicht kommst du irgendwann mal dahinter!«
    Mein Freund ignoriert meine Anmerkung, neigt seinen Kopf etwas und vergräbt sein Kinn grüblerisch in seiner Faust.
    »Würdest du hier einziehen?«
    »Nein.«
    »Ist gemietet.«
    *
    Nur wenige Stunden später wünsche ich mich von einem kleinen unbequemen Designerstühlchen in den Fensterrahmen unter die knorrige Kastanie zurück. Der Geruch nach Knoblauch und gedünsteten Zwiebeln füllt den Raum aus, während ich krampfhaft versuche, mich von der Gegenwärtigkeit meines Tischpartners frei zu machen, indem ich auf die Orchidee zwischen uns starre. Meine Hände krallen sich unter der Tischkante ins steife Tischtuch. An diesem Geschäftsessen nehmen lauter interessante, kultivierte Menschen teil, weshalb ich davon ausging, dass er überhaupt nicht geladen sei, und nun sitzt er mir direkt gegenüber. Und das, nachdem der Vorsatz nach unserem kleinen Plausch am Restauranteingang in die Richtung verlaufen war, mich an diesem Abend so weit weg wie nur irgend möglich von Moritz Winsberg aufzuhalten. Ich meine, am anderen Tischende direkt neben Jürgen Bender sitzt der Marketingchef von Gerry & Friends. Auf ihn war ich schon zu meinen Werbetexterinzeiten scharf. Die Blondine, die gerade auf das von Gerry Gesagte mit offenherzigem Lachen und einem Streicheln über seinen Handrücken reagiert, leider scheinbar auch. Das Leben ist ungerecht. Ohne dass es von mir beabsichtigt ist, wandern meine Augen an Moritz’ schwarzem Jackett hinauf, bis sie seinenBlick suchen. Aber mein Tischgegenüber sagt nichts, was eine Frau zum offenherzigen Lachen bewegen würde. Mein Tischgegenüber sagt gar nichts. Er ist der Fisch im Wasserglas. Ich wünschte, ich wäre ein Tigerhai, der nur einmal kurz sein Maul aufmachen muss, um Moritz darin verschwinden zu lassen. Vergeblich warte ich auf die Suppe, während ich mich über mich selbst ärgere, dass ich Moritz, als wir uns im Restauranteingang begegneten, Folgendes sagte:
    »Das Foto von mir ist wirklich … ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll … es zeigt eine Seite an mir, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Es ist wunderschön. Vielen Dank.«
    In dem Moment wunderte ich mich, dass ich das Wort ›wunderschön‹ in Zusammenhang mit mir benutzt hatte, worauf Moritz jedoch nur trocken entgegnete:
    »Das war doch kein Gefallen. Ich bin professionell.«
    »Natürlich. Und der Rest ist Photoshop.«
    Da Moritz darauf nicht mehr antwortete, war ich ins Restaurant gestapft, hatte Herrn Bender begrüßt, Gerry in Gedanken geküsst und bin auf einen Stuhl am Ende der Tafel direkt vor Moritz gesetzt worden. Herzlichen Glückwunsch.
    Der erste Gang lässt weiter auf sich warten. Ich blicke mich ungeduldig um, damit ich nicht weiter auf Moritz starre. Rechts neben mir wandert eine Designertapete die Wand empor bis zur hohen Altbaudecke, links neben mir wölbt sich der Jackettrücken von irgendeinem Menschen aus dem Marketing, der sich angeregt mit seinem linken Tischnachbarn über die aktuellen Bundesligaergebnissee unterhält. Unmöglich, mich da einzuklinken. Wenn ich wenigstens das Thema auf Formel-1-Boliden lenken könnte, grüble ich, als endlich die Suppe von Kellnerhand vor uns platziert wird. Moritz und ich greifen synchron zum Löffel, tauchen ihn in die passierten Kirschtomaten mit Sahneschaum und rühren die Suppe mitBedacht um, bis ich den Löffel zum Mund führe, während Moritz ihn wieder sinken lässt und mich für einen kurzen Moment ansieht. Sein Blick wühlt mich derart auf, dass mein Magen warm wird, noch ehe ihn die Suppe erreicht hat. In diesem Moment erkenne ich, wie Moritz’ Augen sanft glänzen und wie sehr mich ärgert, dass es mir gefällt.
    »Nur wenig Photoshop«, dringt aus seinem Mund.
    Ich verbrenne mir den meinen, schlucke dennoch die Suppe, so dass sich ein cremig fruchtiger Geschmack in meinem Mund ausbreitet. Soll ich jetzt

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