Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
Eigentoreschießen war ich echt prima!
»Auf das Interview bin ich gespannt. Aber irgendetwas sagt mir jetzt schon, dass du Christina doppelseitig strahlen lassen wirst und anschließend nach Feierabend in tiefem Frust alle MeMas , die du kaufen konntest, in deinem Kamin verfeuern wirst, weil deine innere Spannung erst wieder nachlässt, wenn das Gesicht deiner ehemaligen Freundin in der Hitze zerschmilzt.«
Wie nah Tim damit der Wahrheit kam. Er sollte Horoskope schreiben. Nur meine vielleicht. Das würde schon reichen.
»Bin ich ein schlechter Mensch?«, frage ich mit heruntergezogener Unterlippe.
Tim zieht mich zu sich in den Arm und drückt mir einen Kuss auf die Haare.
»Hm. Ich helfe dir beim Verbrennen!«
Ich liebe Tim! Natürlich kann so etwas Nettes auch dein fester Partner sagen. Aber auf meinen Nachbarn muss ich nicht sauer sein, wenn er mit einer anderen, nehmen wir als Beispiel meine beste Freundin, schläft.
*
Nach vier Clubs in drei Stunden sind Tim und ich sturzbetrunken. Im ersten Club fühlte ich mich fast gezwungen, den Kindern den Drink aus der Hand zu nehmen. In den zweiten Club sind wir wegen Tims zerrissener Jeans nicht reingekommen, woraufhin Tim den Türsteher anschrie, dass, wenn er über dreißig sei und seinen eigenen Club aufmache, er ihn auch nicht reinlassen werde. Dann, dann, dann sähe er mal, wie das ist! Im dritten Club wähnte ich, Frederik auf der Tanzfläche entdeckt zu haben, was im Grunde völlig ausgeschlossen ist, weil mein Exfreund niemals tanzen geht, ich jedoch höchstwahrscheinlich aufgrund des dritten Margarita strickt darauf bestand, sofort und voller Unwürde das Feld zu räumen. Also stehen wir nun im vierten Club und lassen uns von Soulmusik einlullen. Tim sieht sich zwischen den Mädels mit dunklem Kurzhaarschnitt, blutroten Lippen und übergroßen, schwarz gefassten Brillen nach irgendetwas mit Rock um. Eigentlich sind wir hier nur gelandet, weil Moritz diesen Laden vor kurzem bei einer Morgenkonferenz erwähnte und ich natürlich wissend nickte.
Was eine Lüge war.
Nein.
Eigentlich war es keine Lüge!
Es war eine Aussage, die erst in der Zukunft verifiziert werden sollte. Und hier bin ich. Zwischen Männern mit Hüten und Westen überm T-Shirt und Frauen, die aussehen wie die Neuinterpretation der zwanziger Jahre. Rote und blaue Lichter streifen die zuckenden Körper auf der Tanzfläche. An einem gut aussehenden Rücken, der lässig an der Bar lehnt, bleiben meine Augen hängen. Obwohl sein Körper eher hager ist, drücken sich Schulterblätter und Muskeln an den grauen T-Shirt-Stoff. Er ist umringt von drei Männern, die nicht minder anziehend auf irgendetwas in mir wirken. Typen, die cool sind, weil sie es nicht sein wollen: mein Beuteschema. Das ist genau das, was ich jetzt brauche! Ich klemme mir den Margarita zwischen die Finger und steuere das Männerquartett an.
Jetzt heißt es flirten, Anna! Die Offensive dabei zu ergreifen ist im Grunde ganz leicht. Am besten, man fängt bei einer betrunkenen Grundgesamtmännermenge an zu üben! Typen, die ordentlich alkoholisiert sind, sind überaus handlungsbereit und willig, ihr Beuteschema den aktuell verfügbaren Ressourcen anzupassen. Somit erhöhen sich erste Erfolge, was sehr wichtig ist. Und falls man eine Abfuhr bekommt, kann man immer noch sagen: »Meine Güte, der Typ war ja auch sturzbetrunken!«
Ach, und noch was! Ein Satz, den mein Vater immer zu mir sagte, obwohl er dabei sicher nicht an das Ansprechen halbbetrunkener von rotem und blauem Licht eigenartig angeleuchteter Männer gedacht hatte:
Das Leben besteht aus Abfuhr und Erfolg oder aus gar nichts.
Ich wünschte, ich könne nicht nur bei so etwas Unwichtigem wie dem Kochen, dem Rückwärtseinparken oder dem Flirten danach leben. Ich weiß genau, was er mir damit sagen wollte. Dass ich Frederik nach Jahren stabiler Beziehung endlich mehr als die Schlüssel meiner Wohnung geben soll! Dass zum Leben Mut gehört und dass sich früher oder später eine andere finden wird, die den Mut aufbringt, Ja zu sagen. Ja zu mehr als einer ausklappbaren Zahnbürste, die in deinem Zahnputzbecher vorm Spiegel stehen darf. Ach Papa, wie recht du doch hattest.
»Hey! Warum guckst du so zerknirscht?«
Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich bereits an der Bar vor der Gruppe Männer angekommen bin. Einer von ihnen lacht mich mit strahlenden Augen an.
Ich drehe mich zum Barkeeper und winke ihm höflich zu, während ich dem Mann neben mir zuraune: »Lust auf
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