Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
ein Bier?«, weil ich das für einen guten Flirteinstieg halte. Darin ist kein dämliches Kompliment oder eine eigenartige Anmache versteckt, und wenn der Typ keine Lust auf ein Getränk hat, kann er so etwas sagen wie: »Oh, danke, ich habe schon« oder »Ich bin Antialkoholiker« oder »Ich mache gerade eine Trinkpause«, oder so. Was im Grunde das Gleiche bedeutet, wie: »Ich steh nicht auf dich«, aber es hört sich viel selbstbewusstseinsverträglicher an. Außerdem kann ich so trotzdem beim Barkeeper etwas bestellen, was ganz wichtig ist, weil dumm rumstehen nach einer Abfuhr eigentlich das Schlimmste ist. Daher flirtet es sich an der Bar immer am besten. Und in der Schlange vorm Damenklo. Mit dem einzigen Nachteil, dass es dort keine Männer gibt. Aber irgendwas ist ja immer.
Der Typ neben mir lächelt und sieht auf das Glas in meiner Hand. »Und dein Margarita?«
Ich blicke ebenfalls auf das Glas in meiner Hand, führe es zumeinen Lippen, kippe den Alkohol herunter und sehe den Typen wieder fragend an.
»Hey! Eine trinkfeste Lady«, meint einer der anderen Typen mit blonden wuscheligen Haaren. »Benni, hol direkt mal Bier für alle! Moritz nimmt sicher auch noch eins.«
»Moritz?«, frage ich.
»Ist grad auf dem Pott! Ach, da kommt er ja.«
Ja. Mein Gott. Da kommt er. Moritz Winsberg schiebt sich zwischen einigen Menschen hindurch, während er seine Haare mit dem Handrücken aus der Stirn wischt und seine Augen durch den Raum wandern, bis sie in meinen landen. Ich halte seinem Blick problemlos stand, er jedoch auch, was mich irritiert.
»Ach Shit, ihr kennt euch!«, stellt der Blonde fest. »Warum lernt Moritz die Süßen immer alle vor uns anderen kennen?«
Ich ignoriere die Frage und merke, wie mir der Atem mehr und mehr stockt, je näher Moritz mir kommt, so dass ich schließlich nur noch ein zaghaftes »Hey« herausbringe.
»Hey, Anna.«
Der Blonde drückt uns zwei Flaschen Bier in die Hand. »Anna? Herrgott, ich sag ja, er kennt sie immer vor uns!«
»Was machst du hier?« Die Irritation in Moritz’ Stimme verunsichert mich. Genauso wie sein flüchtiger Blick auf meine Lippen.
»Ich sag doch, ich liebe diesen Club.«
Moritz lächelt, als wolle er mir diese Aussage verzeihen, und lässt das Glas seiner Flasche an meiner klingen. Wo kommen auf einmal die Schmetterlinge in diesem Club her? Ich will das nicht! Verschwindet! Ich versuche, gegen die Biester anzukommen, während mein Blick in Moritz’ Hemdausschnitt rutscht.
»Ich komme sehr gern hierher, um Männer aufzureißen. TolleAusbeute hier!«, antworte ich, um mich noch weiter in die Lügenspirale hineinzudrehen.
»Soso.«
»Ja.« Das Ungeziefer breitet sich immer weiter in mir aus. Mir scheint, die Schmetterlinge schwirren nun auch schon an meinen Ellenbogen und um die Knöchel herum.
»Und, schon ein Objekt der Begierde ausgeguckt?«
»Bin gerade dabei«, spricht der pudrige Schmetterlingsstaub aus mir.
Moritz zieht die Brauen hoch. Hat er das auf sich bezogen? Habe ich das auf ihn bezogen? Er sieht zur Seite, lächelt ins Nichts und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche. An unserem erstmals ungezwungenen Gespräch ist deutlich zu erkennen, wie betrunken wir bereits sein müssen.
»Also, wenn du damit mich meinst …«, setzt er an und lächelt erneut. Verdammt.
Wenn er wenigstens dieses Lächeln sein lassen könnte.
Was war denn nur los mit mir?
Vielleicht waren irgendwelche Drogen in mein Glas gefallen.
Ja, es waren ganz sicher irgendwelche Endorphinausschütter. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich wage, diesen Mann zu mögen.
»Ich bin kein Mann für eine Nacht«, erklärt er belustigt.
Ich hebe ebenfalls meine Bierflasche, trinke langsam einen tiefen Schluck und lasse die Flasche wieder zurück vor meinen Jeansbund wandern. Den Schmetterlingen in meinem Magen gefällt’s. Wer hätte gedacht, dass die Alkohol mögen? Ich blicke in Moritz’ Augen und antworte: »Ich bin keine Frau fürs Leben.«
Moritz lächelt, stellt seine Bierflasche auf den Tresen und macht einen Schritt auf mich zu. Mir wird schlagartig schwindelig. Zu vielAlkohol. Zu viele Flügelschläge in mir. Zu viel Moritz. Ich spüre seine Berührung, noch ehe er mich berührt hat. Seine Hand an meinem Hals. Die Finger, wie sie mit sanftem Druck nach mir verlangen. Mich zu sich heranziehen, bis ich seinen Atem auf meinen Lippen spüre. Moritz sieht mich an, für einen Moment völlig regungslos, bis er mit seiner anderen Hand ganz langsam
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