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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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einmal an ihn gedacht hatte.
    Nein. Sie hatte nicht gewusst, wie es ihm daheim bei Inez und Birger ergangen war. Nicht genau.
    Nein. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was er dachte und fühlte.
    Nein. Sie hatte ihn eigentlich überhaupt nicht gekannt. Obwohl er doch ihr eigener Sohn war.
    Ja. Sie hatte ihn in den Tod getrieben, indem sie versucht hatte, sich ihm zu nähern, als es bereits zu spät war. Und außerdem hatte sie sich plump verhalten.
    Vorausgesetzt, dass er tatsächlich tot war. Vorausgesetzt, dass er nicht einfach nur verschwunden war. Dass er auf irgendeine magische Art und Weise von Engeln oder Vögeln aufgehoben, aus dem Folkets Park in Nässjö weggetragen und dann irgendwo anders abgesetzt worden war. In Norwegen vielleicht. Oder irgendwo am Amazonas. Oder in Kapstadt. Oder Bombay.
    Elsie schlug die Augen auf. Gerade jetzt war sie ja in Bombay. Und sie hatte einen ganzen Tag frei. Vielleicht würde sie ihn finden … Sie schloss erneut die Augen. Sofort ergriff der Ankläger wieder das Wort.
    Wo ist dein Sohn verschwunden?
    In Nässjö.
    Und wo suchst du nach ihm?
    In Bombay.
    Ist das besonders klug?
    Nein.
    Sie schmunzelte über ihren inneren Ankläger. War er jetzt zufrieden? Würde er dafür sorgen, dass sie endgültig in die Klapse eingewiesen wurde?
    Nein. Es war kein Verbrechen, eine schlechte Mutter zu sein. Eine, die ihren Sohn im Stich ließ.
    Dennoch war es das schlimmste Verbrechen, das ein Mensch begehen konnte. Das äußerste Verbrechen. Das einzige.
    Sie setzte sich in ihrer Koje auf, schaute sich um. Schluckte die morgendliche Übelkeit herunter. Stellte fest, dass ihre Uniformjacke auf einem Bügel hing, und gratulierte sich selbst. Großartig. Wenn man bedachte, dass ihr Rock in einem zerknitterten Haufen auf dem Boden lag, die Bluse über den Schreibtisch geworfen war, die Unterhose, diese eklige weiße Unterhose mit der bleichen, rostbraunen Erinnerung an alte Menstruationen, auf dem Sessel ausgebreitet lag. Und vor dem Sessel stand die leere Flasche Gin. Öliger, ekliger Gin, der nach Badesalz roch und dennoch das einzige Schlafmittel war, das noch funktionierte.
    »Ich muss«, sagte sie laut und begrub gleichzeitig ihren Kopf in beiden Händen. Was musste sie? Eine Weile blieb sie reglos sitzen und versuchte ihre eigene Mutter zu werden, aber das ging natürlich nicht. Man kann sich nicht selbst das geben, was man seinem eigenen Kind verweigert hat. Aber sie war nicht nur Mutter. Sie war auch Funkerin. Ordentlich und zuverlässig. Hinter ihren Händen musste sie lachen. Ja. So war es. Nicht wahr? Eine äußerst ordentliche und zuverlässige Funkerin, die abends in ihrer Kajüte saß und Gin trank, bis sie ins Bett fiel und einschlief.
    Es klopfte an ihre Tür, und Sekunden später trat die Verwandlung ein. Sie richtete sich auf und stellte fest, dass sie nackt war, trat die vier Schritte an ihren Schrank und holte den Morgenmantel heraus, wickelte ihn um sich und fragte:
    »Ja?«
    Ihre Stimme war vollkommen klar. Sie klang wie immer.
    Draußen stand Maria, ein lächelndes, etwas schüchternes Mädchen, das in der Messe arbeitete. Ein Mädchen, das ihre erste Reise machte und oft – vielleicht zu oft – Anschluss an Elsie gesucht hatte. Da sie nun mal die einzigen beiden Frauen an Bord waren. Und da Elsie schon so viele Jahre zur See fuhr und alles über die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die hier an Bord herrschten, zu wissen schien.
    Jetzt stand sie mit rosigen Wangen übereifrig vor der Tür und fragte, ob Elsie heute vielleicht rausgehen und sich Bombay anschauen wollte und ob Maria dann eventuell mit ihr kommen könnte. Es gab noch Reste vom Frühstück, sie könnte sie auftragen, während Elsie duschte, und dann könnten sie …
    Eine Welle von Müdigkeit überspülte Elsie. Nein, wollte sie sagen. Lass mich in Ruhe, ich will nicht. Aber sie hatte zu oft Nein gesagt und war ein wenig zu lange in Ruhe gelassen worden, als dass das akzeptiert würde. Der Ankläger übernahm. Er zwang sie zu lächeln und zu sagen, aber sicher, selbstverständlich, natürlich können wir zusammen in die Stadt gehen. In zehn Minuten würde sie unten in der Messe sein, sie würde vorher nur rasch eine Dusche nehmen.
    Sie musste sich jede Bewegung befehlen. Geh in die Dusche. Dreh das Wasser auf. Seif dich ein. Öffne die Shampooflasche. Wasch die Haare. Spül dich ab. Und trockne dich ab. Trotzdem versuchte sie ihrem Spiegelbild auszuweichen, schaute weg, bis sie sich die Haare

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