Eisblume
Mäuler. »In zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es keine Garantien. Manchmal muss man den Schritt ins Ungewisse wagen. Pierre hatte damals auch keine Garantie, dass ich nicht wieder mit den Drogen und der Dealerei anfange. Aber er hat mir vertraut, und er blieb auch an meiner Seite, wenn es mir hundsmiserabel ging. Wenn ich ihn zum Teufel schicken wollte, weil ich dachte, ich schaff das alles nicht. Er war der erste Mensch, der an mich geglaubt hat und der mir gezeigt hat, dass ich etwas wert bin.« Beckmann drehte sich zu Brander um. »Die Liebe zwischen Pierre und mir war natürlich eine etwas andere Ebene.«
Er starrte einen Augenblick nachdenklich vor sich hin, dann zeigte er mit der Rechten von Brander auf sich. »Nehmen wir unsere Freundschaft. Wir hatten einen schlechten Start miteinander. Du hast mich für einen Mörder gehalten, ich dachte, du wärst ein intoleranter Cop mit Vorurteilen gegen Schwule. Und dann kommst du zu mir und entschuldigst dich. Ich hab gedacht ›Wow, du hast den Typen völlig falsch eingeschätzt‹. Ich habe angefangen, dich in mein Leben zu lassen. Dir zu zeigen, wer ich wirklich bin. Das hätte auch nach hinten losgehen können. Hätte ja auch sein können, dass du mit ‘nem Homo nicht klarkommst.«
»Aber du bist …«
Beckmann ließ ihn nicht ausreden. »Ich bin schwul. Und das war eine ganze Weile ein Problem für dich.«
Dem konnte Brander nicht widersprechen.
»Ist jetzt auch egal. Wir zwei sind Freunde. Ich kann mit meinen Sorgen zu dir kommen und du mit deinen zu mir. Und wir können uns abends gemeinsam betrinken und eine Menge Spaß haben. Für mich war es gut, sich auf diese Begegnung einzulassen. Du … Ceci und du, ihr seid inzwischen fast ein Stück Familie für mich geworden. Ihr seid Menschen, bei denen ich mich …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »… geborgen fühle.«
Brander hätte es nie so sagen können. In nur zwei Jahren war diese Freundschaft so intensiv geworden. Wie hatte das so schnell gehen können? Weil er es zugelassen hatte? Weil Karsten es zugelassen hatte?
»Ja, hm, das war jetzt …« Beckmann räusperte sich verlegen, als wäre er selbst ein wenig überrascht über seine offenen Worte. »Was ich dir eigentlich sagen wollte, ist, wenn dir etwas an dem Mädchen liegt, lass sie jetzt nicht allein. Scheiß was drauf, dass sie heute Morgen wieder ausgerastet ist. Sie ist jung, sie ist verwirrt. Sie weiß anscheinend nicht, wie es ist, wenn sich jemand um sie sorgt. Wenn du jemand sein willst, dem sie vertraut, wirst du dich wohl ein bisschen mehr bemühen müssen.«
Sich mehr bemühen. Zulassen, selbst verletzt zu werden. Von einem Kind. Von einem fremden Kind. War er dazu bereit?
Beckmann setzte sich wieder auf das Sofa. »Warum sprichst du nicht mit Cecilia darüber?«
Brander dachte an das morgendliche Gespräch. Cecilia ahnte etwas von seinen Gedanken, aber er war nicht bereit gewesen, mit ihr zu sprechen. »Ich will sie nicht enttäuschen. Wenn sie sich wegen mir auf das Kind einlässt, und ich pack das nicht? Sie war damals so verzweifelt, als sich rausstellte, dass wir niemals eigene Kinder haben würden.«
»Du solltest trotzdem mit ihr reden.«
»Du bist so ein weiser Mann«, seufzte Brander halb im Spaß, halb im Ernst.
»Hör auf, mich zu verarschen!« Beckmann warf ein Kissen nach ihm. Brander wehrte es mit dem Arm ab.
»Ich werde mit Ceci reden.« Er stand auf. »Danke, fürs Zuhören und … überhaupt.«
»Keine Ursache, dafür sind Freunde da, oder?«
»Ja.« Brander sah zu Beckmann. »Hast du nächste Woche Sonntag schon etwas vor?«
»Bis jetzt noch nicht.«
»Wir machen am vierten Advent immer einen kleinen Weihnachtsbrunch bei uns zu Hause. Mein Neffe kommt, meine Eltern werden da sein …«
»Du willst mich deinen Eltern vorstellen?«, fragte Beckmann mit gespieltem Verzücken.
»Nein, ich dachte, du übernimmst den Küchendienst«, feixte Brander. »Wir haben bestimmt auch eine schicke Schürze für dich.«
»Und schon schwinden meine Träume dahin. Statt zum kleinen Bruder werde ich zum Küchen-Boy.«
»Du darfst auch deinen Freund mitbringen.«
»Welchen Freund?«
»Na, du hast da doch letztens so was angedeutet? Du wärst beschäftigt gewesen und so …«
»Ich wäre …?« Beckmann stutzte und begann dann herzlich zu lachen. »Babysitting, Süßer! Ich hab auf Angies kleinen Racker aufgepasst, weil sie mit ihrem Mann mal wieder einen trauten Abend zu zweit haben wollte.« Beckmann
Weitere Kostenlose Bücher