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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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dass der Schnösel hier reinspaziert und eigentlich gar nicht weiß, was er will.«
    »Er ist kein Schnösel.«
    »Ach so, ist er das nicht?« Brander gelang ein süffisantes Grinsen. Peppi konterte, indem sie wütend die Augenbrauen zusammenzog.
    »Kannst du bitte einen Termin mit diesem Mike Lüdke ausmachen? Ich will ihn so schnell wie möglich sprechen«, beendete Brander die Diskussion.
    Brander hatte seine Skizze vor sich auf den Schreibtisch gelegt und suchte nach Ansatzpunkten, die ihm Hinweise auf einen möglichen Täter geben könnten.
    Die Kollegen waren essen gegangen. Er hatte Peppi gebeten, ihm ein belegtes Brötchen mitzubringen. Er brauchte etwas Ruhe, musste seine Gedanken sortieren und wollte die innere Anspannung lösen, die sich in seinem Nacken festgebissen hatte. Er hatte die ganze Zeit das Gefühl, wie ein Schauspieler zu agieren, die Texte zu sagen, die er sagen musste, die Aufgaben zu erledigen, die er erledigen musste. Im Hinterkopf versuchte sein Gehirn jedoch, die Probleme in seiner Familie zu lösen. Probleme, die er nicht lösen konnte. Die einzige sinnvolle Lösung schien ihm zu sein, nach Düsseldorf zu fahren. Aber was würde es helfen, wenn er da war? Wäre er nicht nur im Weg? Vielleicht brauchten sie erst einmal Zeit für sich? Oder waren das nur Ausreden, die er sich selber gab, um das schlechte Gewissen zu beruhigen? Es wunderte ihn, dass er überhaupt arbeiten konnte, und es irritierte ihn, dass er mit den Kollegen und mit Beckmann herumflachsen konnte. Fehlte nur noch, dass er über einen Witz herzlich lachte.
    Er sah auf das Blatt. Konnte sich nicht konzentrieren. Er drehte den Stuhl ein Stück zur Seite, legte die Füße auf den Schreibtisch, strich sich mit beiden Händen über den Kopf.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, fluchte er leise vor sich hin. Eine Weile starrte er stumm auf die Wand. Schließlich strich er sich erneut über den Kopf, tastete über die kahle Stelle am Hinterkopf und nahm mit einem entschlossenen Ruck die Füße vom Tisch. Er würde jetzt herausfinden, wer Nael Vockerodt umgebracht hatte, und er würde noch einmal mit Daniel sprechen. Und wenn Daniel wollte, dass er nach Düsseldorf käme, verdammt noch mal, dann würde er hier alles stehen und liegen lassen und nach Düsseldorf fahren! Und wenn Daniel es nicht wollte, dann wollte er verdammt noch mal wissen, warum!
    Mike Lüdke war ein durchtrainierter junger Mann mit einem breiten Kreuz und maß mindestens einen Meter neunzig. Er hatte sich bereit erklärt, am späten Nachmittag vor seinem Training in die Polizeidirektion zu kommen. Peppi holte ihn vom Empfang und führte ihn in ihr gemeinsames Büro. Seine Bewegungen, die Art, wie er den Raum betrat, hatten etwas Ehrgeiziges, Dynamisches an sich. Lüdke reichte Brander zur Begrüßung freundlich lächelnd die Hand. Fester Händedruck, energische Gesichtszüge, registrierte Brander.
    »Herr Lüdke, nehmen Sie bitte Platz.« Brander wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Peppi bezog am Fenster Position, von wo aus sie den jungen Mann von der Seite beobachten konnte.
    »Danke.« Lüdke setzte sich, den Rücken an der Stuhllehne, eine Hand locker auf dem Oberschenkel abgestützt, die andere offen im Schoß ruhend.
    »Meine Kollegin sagte, Sie müssen gleich noch zum Training?«
    »Ja, ich spiele Basketball.«
    Brander durchforstete sein Gehirn. Hatte er den Namen Mike Lüdke schon einmal in der Aufstellung der Walter Tigers gelesen? Ihm fielen nur ausländische Namen ein. Kenny Williams, Michael Jenkins, Jay Thomas – spielte der überhaupt noch für die Tigers?
    »Aber nicht in der Bundesliga, oder?«
    Lüdke lachte. »Wo denken Sie hin? Ich habe mal in der Regionalliga gespielt, aber zurzeit mach ich nur noch Hochschulsport. Muss mich ein bisschen aufs Studium konzentrieren. Mögen Sie die Tigers?«
    »Sie sind nicht schlecht, oder?«, entgegnete Brander vage. Auf welchem Tabellenplatz stand die Mannschaft gerade? Irgendwo im Mittelfeld?
    »Na ja, die Saison könnte besser laufen.«
    »Was machen Sie sonst noch so für Sport?«
    »Bisschen Kraftsport, und ich habe angefangen zu klettern. Das ist mal ein guter Ausgleich, und man kriegt den Kopf frei. Und Sie?«, fragte Lüdke entspannt.
    »Ich laufe hin und wieder durch den Wald.«
    »Das ist auch nicht schlecht, bietet sich ja an, mit dem Schönbuch direkt vor der Haustür.«
    Der Schönbuch war das Naturschutzgebiet, das sich am Rande von Tübingen bis zum Herrenberger Gäu im Westen und

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