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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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ließ den Umschlag zurück auf den Tisch fallen. Drewitz nahm beide Briefe an sich und schob sie unter die Fernsehzeitung.
    »Wenn das alles war, kann ich jetzt ja weiterschlafen, oder?«
    »Ja, fürs Erste war es das.« Brander stand auf, gab Peppi mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihm zu folgen. Es hatte keinen Sinn, weitere Fragen zu stellen. Drewitz war nicht bereit, mit zwei Beamten von der Kriminalpolizei zu sprechen. Peppis offensichtliche Aggression trug ihr Übriges dazu bei.
    Der Mann begleitete sie zur Wohnungstür. »Sie kommen da auch noch hinter«, sagte er, als Brander an ihm vorüber aus der Wohnung ging.
    Brander blieb stehen und sah den Mann an. »Ach ja? Wo hinter?«
    »Dass dieser multikulturelle Wahnsinn, dieser multiethnische Exzess ein riesengroßer Scheiß ist.«
    Peppi blieb am Treppenabsatz stehen und wandte sich zu Drewitz. »Multiethnisch? So ein Wort hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Wissen Sie eigentlich, dass das Wort ›ethnisch‹ aus dem Griechischen kommt?«, fragte sie mit schnippischem Unterton.
    Drewitz hängte sich mit den Fingern am Türrahmen ein und grinste Peppi böse an. »Ich hab nix gegen Griechen. Ich will die nur nicht hier in meinem Land, kapiert? Gute Heimreise!«
    Peppi hob zu einer Erwiderung an, und Brander schob sie unauffällig, aber energisch vor sich die Treppe hinunter.
    »Warum lässt du dich so provozieren?«, schimpfte Brander, als sie wieder auf dem Weg zu ihrem Auto waren.
    »Wenn ich dieses rassistische Geschwätz höre, krieg ich das Kotzen!«, entgegnete Peppi mit Zornesröte im Gesicht.
    »Es ist aber wenig hilfreich, wenn du sofort deinen Ich-hasse-Typen-wie-dich-Blick aufsetzt! Nächstes Mal nehm ich Hendrik mit.«
    »Oh nein, Andi, das wirst du nicht! Nächstes Mal nimmst du mich wieder mit. Das ist es doch, was die mit ihrer arischen Arroganz erreichen wollen.«
    »Und du fällst beim ersten Wort gleich drauf rein. Verdammt noch mal, Peppi! Ich weiß dein griechisches Temperament ja zu schätzen, aber in dieser Situation fährst du mit ein bisschen mehr Gelassenheit garantiert besser. Der hat doch sofort dicht gemacht.«
    »Ich weiß gar nicht, was du dich so aufregst? Ich war ruhig. Was habe ich denn gesagt?«
    »Es ist nicht das Was, sondern das Wie. Der Ton macht die Musik. Und dein Blick hat Bände gesprochen.«
    Peppi blieb stehen, hob den Blick zum Himmel und atmete tief durch. »Entschuldige mich einen Moment.« Sie überquerte die Straße, blieb vor den Schrebergartenanlagen, die sich auf einem schmalen Streifen zwischen Straße und Bahngleisen entlangzogen, stehen und gab einen lauten Fluch von sich. Dann kehrte sie wieder zu Brander zurück.
    Brander sah sich verstohlen nach allen Seiten um und blickte dann mit faltendurchfurchter Stirn zu seiner Kollegin. »Was war das denn?«
    »Grob übersetzt: Scheiße auf Griechisch. Ich gestehe, ich habe mich unprofessionell verhalten und von diesem Arsch provozieren lassen. Können wir das Thema jetzt ad acta legen?«
    Brander legte versöhnlich einen Arm um Peppis Schultern. »Klar. Ich find, wir gehen jetzt beim Türken einen Döner essen.«
    Peppi schüttelte den Kopf. »Ich hab Lust auf Falafel. In der Metzgergasse gibt’s ganz leckere.«
    Als sie in die Polizeidirektion zurückkehrten, stapelten sich bereits wieder Papierberge auf Branders Schreibtisch. Auf einem kleineren Stapel lag eine Akte, die nicht zum aktuellen Fall gehörte. »Was ist das?«, fragte Brander verwundert.
    Peppi sah zu ihm. »Schau’s dir an, dann weißt du es.«
    Brander setzte sich und öffnete die Mappe. Das Foto eines jungen Mädchens sah ihm entgegen. Nathalie Böhme, vierzehn Jahre, seit Mittwoch vermisst. Brander warf einen genaueren Blick auf das Bild. Die Haare des Mädchens hingen glatt bis auf die Schultern und waren schwarz gefärbt. Der Pony war kurz geschnitten und so gerade, als hätte man ein Lineal vor ihre Stirn gehalten. Blaue Augen blickten aus einem ernsten, blassen Gesicht. Brander blätterte durch die Akte, las flüchtig den Bericht.
    »Warum legen die uns das hin?«
    Zwar war die Kriminalinspektion 1 auch für Vermisstenfälle zuständig, aber dieses Mädchen war offensichtlich eine Streunerin, es bestand kein Verdacht, der ein Gewaltverbrechen vermuten ließ. Sie war bereits mehrmals nachts aufgegriffen worden, meistens alkoholisiert. Mit zwölf Jahren hatte man sie beim Ladendiebstahl erwischt. Vor sechs Monaten war sie schon einmal fünf Tage abgetaucht und bei Rock im Park in

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