Eisblume
Nathalie das denn will. Oh Mann, oh Mann, oh Mann«, stöhnte Hendrik laut auf.
»Na, jetzt kümmern wir uns erst einmal um deinen Jungen. Ich ruf Ceci an. Die Frauen sind bestimmt schon unterwegs und haben drei Kilo Schokolade gekauft.«
Bei dem Gedanken an seinen kleinen Sohn hellte sich Hendriks Miene etwas auf.
Sie trafen ihre Frauen auf der Neckarbrücke und schlenderten gemeinsam über den Schokoladenmarkt. Brander freute sich, seine ehemalige Kripokollegin Anne Dobler wieder fröhlich lachend zu sehen. Nach der Geburt war es ihr eine Zeit lang nicht gut gegangen, weil sich Louis als ein Schreibaby entpuppte. Sie war nervlich völlig am Boden gewesen, und auch Hendrik war es schwergefallen, die Belastung zu ertragen. Inzwischen war aus dem Schreibaby ein zufrieden glucksendes Kind geworden, das in absehbarer Zeit sicherlich seine ersten Gehversuche unternehmen würde.
Sie schoben sich mit der Menschenmenge an den zahlreichen Ständen vorbei, probierten hier und da Schokolade und Pralinen und genossen den Trubel. Brander und Hendrik vermieden es, über ihre Arbeit zu sprechen, und Anne erzählte stolz, wie Louis in der Krabbelgruppe mit seinem süßen Lächeln die anderen Mütter umgarnte.
»Ganz der Vater«, kommentierte Brander schmunzelnd. Bevor Hendrik mit Anne zusammengekommen war, war er der Gigolo der Polizeidirektion gewesen. Es gab wenig, was er ausgelassen hatte, und einmal mehr freute sich Brander, wie fürsorglich und verantwortungsvoll Hendrik sich um seine kleine Familie kümmerte.
Durchgefroren und zufrieden machten Hendrik und Anne sich mit ihrem Kind schließlich wieder auf den Heimweg, während Brander Cecilia Richtung Weinhaus Beck lotste.
»Was willst du da? Ich dachte, wir wollen vor eurer abendlichen Soko-Sitzung noch zu Karsten?«, fragte Cecilia.
»Ich will ihm eine Kleinigkeit mitbringen. Er ist bestimmt total deprimiert, weil er morgen den Nikolauslauf nicht mitmachen kann«, erklärte Brander.
»Eine Kleinigkeit?«
»Ja.«
»Für Karsten?«
»Ja.«
Cecilia zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Wie uneigennützig du immer bist.«
»Ja, so bin ich.« Brander grinste unschuldig.
Das kleine Lokal am Rande des Marktplatzes war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Besucher der chocol ART wärmten sich bei Kaffee, Tee oder Wein ein wenig auf, probierten die leckeren Kuchen und herzhaften Quiches und unterhielten sich angeregt. Es ging laut zu, ohne ungemütlich oder hektisch zu wirken. Der Inhaber der Weinstube begrüßte sie gut gelaunt am Eingang des Ladens. »Was kann ich für euch tun?«
»Ich suche einen guten Whisky für einen Freund«, erklärte Brander.
»Ich habe nur guten Whisky«, entgegnete sein Gegenüber mit breitem Grinsen. »In welche Richtung soll es denn gehen?«
Brander überlegte kurz. »Ein Islay wäre wohl das Richtige. Caol Ila oder vielleicht ein Lagavulin. Obwohl … manchmal trinkt er auch ganz gern einen Highland Whisky.«
Die beiden Männer begutachteten die Whiskybestände, und Brander entschied sich schließlich für einen zehnjährigen Ben Nevis. Ein Highland Single Malt aus der Destillerie am Fuße des gleichnamigen höchsten Berges Schottlands in Fort William. Zwar nicht rauchig, aber kräftig im Geschmack. Brander hatte ihn vor Jahren bei einer Besichtigung der Destillerie probiert und freute sich darauf, Beckmann davon zu erzählen – natürlich bei gleichzeitiger Verkostung des Lebenswässerchens.
Doch Karsten Beckmann sah nicht danach aus, als ob er an diesem Abend einen Whisky genießen könnte. Die Augen glasig, die Nase verschnupft, das Gesicht eines Leidenden. Er hatte über seinen Pyjama einen dicken Bademantel gezogen und schien trotzdem zu frieren.
»Kommt rein.« Beckmann winkte sie mit einer müden Handbewegung in seine Wohnung, schlurfte vor ihnen ins Wohnzimmer und verkroch sich unter einer Decke auf dem Sofa.
»Hast du Fieber?«, erkundigte sich Cecilia besorgt.
»Ist schon wieder besser. Ihr hättet nicht kommen sollen. Ich stecke euch nur an.« Seine Stimme war nicht mehr ganz so heiser wie am Morgen.
»Jemand muss ja nach dir gucken!«, erklärte Cecilia. Sie prüfte den Inhalt der Thermoskanne auf dem Wohnzimmertisch.
»Angie kümmert sich um mich.«
»Ist das Tee?« Cecilia hatte den Deckel der Kanne abgeschraubt und sah naserümpfend hinein.
»Artemisiatee. Vielleicht auch Rattengift. Schmeckt so bitter, das kannst du dir nicht vorstellen. Aber Angie hat mir befohlen, es zu trinken.«
Brander lachte. Seinen
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