Eisblume
von links nach rechts.
»Ich kenne das Mädchen nicht. Ich habe sie noch nie gesehen, geschweige denn mit ihr gesprochen. Vielleicht hat sie den Text einfach nur irgendwo abgeschrieben, weil sie ihn so schön fand. Nein, Andi.« Sie goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein. »Im Übrigen bin ich keine Kinder- und Jugendtherapeutin.«
Brander seufzte abgrundtief. »Du könntest mir ruhig …«
»Ah!« Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Du machst deinen Job, ich mache meinen. Und jetzt sei friedlich, sonst gibt’s nix vom Nikolaus.«
»Krieg ich was?«
Cecilia grinste. »Schau mal in deinen Stiefel.«
Strahlend blauer Himmel schien über das schneebedeckte Ammertal, als Brander sich auf den Weg zur Arbeit machte. Die Cockpitanzeige meldete ihm eine Außentemperatur von minus sieben Grad. Wenn die Sonne richtig rauskam, würden es vielleicht sogar Plusgrade werden. Da in der Nacht kein frischer Schnee gefallen war, war die Bundesstraße frei, und im Gegensatz zu den Werktagen herrschte an diesem Sonntagmorgen nur wenig Verkehr. Dennoch musste er an der Ampel vor dem Ortseingang Unterjesingen warten. »Luftreinhaltung« stand auf einem Schild neben der Ampel. Dachten die Verantwortlichen wirklich, dass die Autoabgase vor der roten Ampel haltmachten und sich nicht von Wind und Wetter in den Ort treiben ließen? Durch die Ampelanlage staute sich der Berufsverkehr unter der Woche manchmal mehrere Kilometer, fast bis zurück nach Entringen. Diente das der Luftreinhaltung? Warum er an diesem Sonntagmorgen vor Unterjesingen warten musste, obwohl die Straße vor ihm völlig frei war, war ihm auch nicht verständlich. Brander übte sich in Geduld, es hatte sicherlich alles seine Berechtigung.
Gemütlich fuhr er durch den Ort, vorbei am Gasthof Lamm, der auch eine eigene Brennerei betrieb, in der diverse Obstbrände und sogar ein eigener Whisky produziert wurde. Schwäbischer Whisky aus dem Ammertal: »Black Horse« – ein schwarzes Pferdchen zierte das Flaschenetikett. Der englische Name war gewagt. Brander wusste von einer Fränkischen Brennerei, der die Scotch Whisky Association verboten hatte, ihrem Produkt einen englischen Namen zu geben.
Den Ammertaler Whisky hatte er vor einem Jahr probiert, als er mit den Kollegen an einer Brennereiführung teilgenommen hatte. Es war ein Deutscher Blend aus »Malt & Grain«. Er konnte sich jedoch nicht mehr genau an den Geschmack des Whiskys erinnern, was wohl mitunter daran lag, dass er zuvor diverse Obstbrände verkostet hatte. Es war ein sehr lustiger Abend gewesen, zumindest das wusste er noch mit Sicherheit. Hatte er nicht damals ein Fläschchen mitgenommen, das noch in seinem Schrank stand und sehnsuchtsvoll darauf wartete, dass Brander sich seiner erbarmte? Die Bremslichter am Wagen vor ihm lenkten seine Aufmerksamkeit wieder auf den Straßenverkehr zurück.
Gerade rechtzeitig zur Soko-Sitzung erreichte er die Polizeidirektion. Unter den anwesenden Beamten im Konferenzraum entdeckte er den neuen Staatsanwalt. Brander hatte fast damit gerechnet – sein letzter Bericht war etwas kurz ausgefallen. Eigentlich hatte er jedoch gehofft, dass dem Staatsanwalt der Sonntag heilig war und er erst am Montag mit dessen Anwesenheit beglückt wurde. Brander wappnete sich für eine kritische Bemerkung, so wie er es von Lehmann gewöhnt war, als er den Staatsanwalt grüßte. Aber Schmid grüßte nur zurück und harrte der Dinge, die da kamen.
»Wir haben bereits einige Anrufe aufgrund des Aufrufs im Tagblatt von Samstag erhalten«, berichtete er den Kollegen. »Danke, Michael, dass es noch geklappt hat.«
»Dank nicht mir, sondern dem Redakteur vom Tagblatt«, wehrte Jahraus ab.
»Die Anrufe müssen ausgewertet werden.« Brander teilte ein paar Kollegen für diese Aufgabe ein. »Hat sich schon jemand um diesen Laden in der Eugenstraße gekümmert?«
Peppi blätterte durch ihre Notizen. »Du meinst den afrikanischen Caterer?«
»Ja.«
»Die Leute wurden befragt, aber sie kannten Vockerodt nicht. Es war in der Tatnacht auch niemand im Geschäft.« Sie legte ihre Notizen wieder zur Seite und blies sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht. »Was machen wir mit Lüdke?«
»Was willst du mit ihm machen?«, fragte Brander.
Peppi sah ihn mit großen Augen an. »Ihn noch einmal vernehmen, zum Beispiel? Darf ich dich vielleicht auf die Statistiken aufmerksam machen? Wie viel Prozent von Tötungsdelikten sind Beziehungstaten? Na? Lüdke hatte …«
Brander hob beschwichtigend
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