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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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Hause ankam. Viel zu spät war ihm eingefallen, dass Beckmann ihn morgens zur Dienststelle gefahren hatte und ihm somit weder Auto noch Fahrrad für den Heimweg zur Verfügung standen. Peppi war bereits eine viertel Stunde vor ihm nach Hause gegangen, und er hatte zum Bahnhof rennen müssen, um die Ammertalbahn noch zu bekommen, die so spät abends nur noch stündlich verkehrte.
    Er hängte seine Jacke an die Garderobe. »Gib mir zehn Minuten zum Ankommen. Ich hatte einen anstrengenden Tag«, bat Brander und verzog bei diesem abgedroschenen Satz innerlich das Gesicht. Aber solche Plattitüden ließen sich wohl in einer langjährigen Ehe nicht vermeiden. Er zog die Schuhe aus, schlurfte auf Socken ins Wohnzimmer und ließ sich mit einem lauten Seufzer neben seine Frau auf das Sofa fallen.
    »Möchtest du etwas trinken?«
    Er winkte ab. »Ich hol mir gleich was. Lass mich einfach nur ein paar Minuten hier sitzen.«
    Er schloss die Augen, hörte, wie Cecilia vorsichtig aufstand.
    »Was machst du?«
    »Ich hole dir ein Glas Wein, oder möchtest du lieber einen Whisky?«
    »Egal.«
    Er ließ sich mit dem Oberkörper zur Seite fallen und legte die Füße hoch. Peppis Gespräch mit Hendrik kam ihm in den Sinn. Er musste schmunzeln.
    »Warum grinst du?«, hörte er Cecilias Stimme neben sich. Er öffnete die Augen, sah zwei Gläser Rotwein auf dem Tisch stehen.
    »Würdest du mir den Nacken massieren? Ich glaube, ich bin ein bisschen verspannt.«
    »Wann hat Daniel angerufen?«, fragte Brander. Er saß mit nacktem Oberkörper auf dem Fußboden vor dem Sofa, während Cecilia hinter ihm saß und ihm wahrhaftig den Nacken massierte.
    »Ich habe ihn angerufen.«
    »Ach so?«
    »Nach dem Anruf von gestern war ich besorgt. Alles dreht sich um Babs und um Julian, und er muss der starke Familienvater sein. Ich dachte mir, es tut ihm vielleicht ganz gut, wenn mal jemand nach seinem Befinden fragt. Wir haben ziemlich lange telefoniert.«
    Brander schürzte nachdenklich die Lippen. Er hatte Daniel doch auch immer gefragt, wie es ihm ging. »Und was hat er erzählt?«
    »Na ja, dass sein eigener Sohn in dieser Situation anscheinend mehr mit dir spricht als mit ihm, hat ihn stärker getroffen, als er sich selbst eingestehen wollte. Einerseits ist er froh, andererseits fragt er sich natürlich, warum. Er macht sich ohnehin so viele Vorwürfe, aber er hat keinen anderen Ausweg mehr gewusst.«
    »Ich kann dir gerade nicht folgen.«
    »Daniel hatte Babs am Tag vor dem Unglück mit Scheidung gedroht, wenn sie nicht endlich eine Therapie machen würde. Er wusste einfach nicht mehr weiter. Das war anscheinend der Auslöser, der Babs zu … zu dieser Tat getrieben hat.«
    Brander ließ das Kinn auf die Brust sinken. Was war da los in der Familie seines Bruders? Warum hatte er nicht bemerkt, dass Daniel und Babs Hilfe brauchten? Hatte er ihre Hilferufe einfach nicht sehen wollen, weil er selbst genug zu tun hatte? Weil ihm genug Elend in seinem Job begegnete?
    Cecilia griff kräftig in seinen Nacken. Er war tatsächlich ziemlich verspannt. Kein Wunder, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch oder im Auto saß. Ihm fehlte die Bewegung. Er nahm sich vor, am nächsten Tag wieder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Die Landwirtschaftswege müssten nach dem Regen eigentlich inzwischen frei vom Schnee sein.
    »Warum hat er nicht mit uns gesprochen? Das verstehe ich einfach nicht«, fragte Brander ratlos.
    »Das ist wohl auch nicht so einfach zu verstehen. Er musste selbst erst einmal einsehen, dass Babs krank ist und nicht einfach nur antriebslos und schlecht drauf. Und er wollte Babs auch nicht in ein schlechtes Licht bei uns bringen, weil er wusste, dass ihr Selbstwertgefühl ohnehin sehr gering ist.«
    »Ich bin sein Bruder. Was denkt er denn von mir?«
    »Dass du dein Leben im Griff hast, in einer glücklichen Ehe lebst, niemals bei Rot über die Ampel gehst und ein perfektes Leben führst.«
    »Oh Mann, wenn er wüsste …«
    »Ganz genau, wenn er wüsste.« Sie malträtierte seine Schultern mit leichten Handkantenschlägen. »Er weiß eben nicht, dass bei uns auch nicht immer alles nach Plan verläuft und auch hier hin und wieder die Fetzen fliegen.«
    Brander legte den Kopf in den Nacken und sah Cecilias Gesicht über sich. »Bei uns fliegen die Fetzen?«
    »Und wie!«
    Er zog ihr Gesicht zu seinem, küsste sie. Was für ein Glück hatte er, mit dieser wunderbaren Frau verheiratet zu sein. Es hatte manche Krise in ihrer Beziehung gegeben, und

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