Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
ist schon ein sehr seltenes Thema und nicht sehr, na ja, ertragreich, verstehen Sie? Wer sich damit beschäftigt, benötigt neben speziellen Kenntnissen auch eine ausgeprägte Motivation. Und vor allem eine zuverlässige Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt anderweitig zu bestreiten. Vielleicht kann man mit dieser Forschung Lorbeeren unter einigen Historikern ernten, möglicherweise noch in manchem Feuilleton landen, aber reich wird man damit auf keinen Fall.«
»Und Sie meinen, jemand mit solchen Qualifikationen bringt niemanden um?« Die Frage war nicht ernst gemeint; Judith gefiel das Gespräch. Sie wollte Laura weiter zuhören.
»Oh nein, nein«, lächelte Laura wissend zurück, »nur in diesem Fall ... Ich weiß einfach nicht, wie Robert in solche Kreise geraten sein sollte. Das Thema hat ihn nicht beschäftigt, sonst hätte er mich wahrscheinlich darauf angesprochen.«
»Vielleicht ist nach Ihrer Abreise aus Meißen etwas vorgefallen?«
»Möglich ist natürlich alles, doch ich bin da eher skeptisch.«
»Einen Brief oder so haben Sie sicher nicht von Robert Wolff?«, traute sich Judith Brunner zu fragen.
»Nein!«
Das klang recht heftig. Judith befand sich also immer noch auf dünnem Eis. »Nun, da werden uns sicher die Kollegen aus Meißen weiter helfen. Hoffentlich können unsere Sachverständigen mit diesen paar Buchstaben und Zahlen überhaupt einen Schriftvergleich machen.«
Kleinlaut meinte Laura: »Entschuldigen Sie bitte. Ich weiß auch nicht, warum ich immer noch so gereizt reagiere. Ich bin eigentlich wütend auf mich, auf mein dämliches Benehmen im Sommer damals in Meißen. Ich dachte, es ist vorbei und ich kann es vergessen. Und nun das!«
»Sie müssen nicht wütend auf sich sein. Warum sollten Sie? Sie haben bloß ein bisschen geflirtet. Und dann haben Sie die Sache beendet«, zeigte Judith Brunner Verständnis. Sie wollte noch hinzufügen, dass ein erwachsener Mann von der Bauart Robert Wolffs mit dieser Situation sicher nicht zum ersten Mal zurechtkommen musste, dennoch schien ihr diese Anmerkung unter den gegebenen Umständen eher unpassend, wenn nicht sogar falsch. Schließlich war der Mann in die Altmark gekommen und in Waldau ermordet aufgefunden worden. Und eine andere Verbindung als die zu Laura Perch hatten sie bisher nicht feststellen können.
Laura verabschiedete sich und begegnete in der Tür Lisa Lenz, die ihrer Chefin einen Umschlag brachte. »Ist eben mit dem Zentralen Kurierdienst aus Meißen gekommen.«
»Das ging ja wirklich schnell«, freute sich Judith und begann unverzüglich, die Approbationsunterlagen der Meißner Gesundheitsverwaltung zu Robert Wolff durchzublättern. Die Papiere gaben Auskunft über seinen Lebenslauf und seine Qualifikationen. Nichts Auffälliges. Eine gelungene Karriere für einen vom Glück begünstigten Mann. So schien es. Mehrere Passfotos aus verschiedenen Jahren zeugten von seinem guten Aussehen. Wolffs Familie stammte aus Meißen und er war dort auch zur Schule gegangen. In der Tat hatte er, kaum 18-jährig, geheiratet und war kurz darauf Vater einer Tochter geworden. Von einer Scheidung war allerdings in keinem der diversen Personalbögen und Anträge etwas vermerkt. Nach dem Studium hatte er in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet, seine Abschlüsse gemacht und schließlich promoviert. Als Facharzt für Orthopädie ließ er sich dann in Meißen nieder, wo er die Praxis eines Arztes übernahm, der in den Ruhestand ging. Der Praxisadresse entnahm Judith Brunner die Nachbarschaft zum Elternhaus Robert Wolffs. Alles recht unspektakulär. Einige Fortbildungen, Kredite für die Praxisausrüstung. Bei ihren Ermittlungen half das vorerst wenig weiter.
Judith Brunner nahm die Unterlagen mit, als sie zur Besprechung zurückging. Die Mitarbeiter waren beim Diskutieren. Sie konnte schon vom Flur her hören, dass es nur entfernt um den Fall ging.
»Was meint ihr, ob es mit der besser wird?«
»Isses ja schon eine Weile, seit der Alte weg ist und Grede das Sagen hatte.«
Der sah sich offenbar bemüßigt, irgendwen zu zitieren: »Eine Verbesserung verdankt sich immer dem Weggang des einen, gleichermaßen wie der Arbeit seines Nachfolgers.«
Oder war das von ihm? Egal, einige Sekunden herrschte Ruhe. Dr. Grede hatte die Runde irgendwie verwirrt.
»Mit der werden wir uns warm anziehen können«, ging’s dann aber weiter.
»Von sich hat die noch gar nichts erzählt.«
»Die zwei vom Streifenwagen hat sie richtig zusammengeschissen.«
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