Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
»Hat sie nicht!«
Das war Ritter. Immerhin, ein loyaler Mann.
»Und wo sie wohnt, weiß auch keiner.«
Mein Gott, was haben die Leute bloß für Sorgen! Judith räusperte sich vernehmlich und fand alle in irgendwelche Unterlagen vertieft vor, als sie den Raum betrat. Walter gelang es überzeugend, unbeteiligt zu wirken.
Dr. Grede informierte sie kurz: »Renz musste dringend ins Krankenhaus. Die Kollegen in ›Feine Sache‹ sind immer noch nicht fertig mit dem Rumzeigen von Wolffs Foto. Sie wollen dort noch auf den Schichtwechsel in der Küche warten.«
Als alle Platz genommen hatten, berichtete Judith Brunner über die Sendung aus Meißen: »Auf den ersten Blick nichts Auffälliges, doch wir bekommen ja noch mehr. Ich möchte, dass jemand mit dem Notizzettel und dem handschriftlichen Lebenslauf aus Wolffs Approbationsunterlagen umgehend zur Bezirksbehörde fährt, damit dort ein Schriftvergleich gemacht wird.«
Es meldete sich einer der älteren Mitarbeiter.
Dr. Grede stand ebenfalls auf. »Ich werde mal gleich in Magdeburg anrufen und Bescheid sagen, dass es dringend ist. Ritter kann ja inzwischen berichten.«
»Hm, na gut. Also diese Reifenspuren hier«, er zweckte ein paar große, kontraststarke Fotos an eine der Stellwände, »stammen vom Landwirtschaftsweg neben dem Wiepker Feuerlöschteich und gehören zu vier verschiedenen Fahrzeugen, definitiv keine von einem Lkw. Aber auch nicht ein Profil passt ansatzweise zu den Reifen vom Volvo. Das Opfer ist somit nicht mit seinem eigenen Auto nach Wiepke gefahren worden.« Ritter deutete auf ein Foto. »Dies ist die einzige Spur, die dort auf dem Weg endet und die wieder zurück zur Fernverkehrsstraße führt. Leider war sie kaum mehr zu erkennen.« Er hatte deshalb eine Skizze gefertigt und zweckte sie neben das Foto. »Wir hatten Glück, dass es so kalt wurde; der Boden war gut gefroren und der Reif machte alles wieder schön plastisch. Man kann gut erkennen, dass die anderen Wagen dort nicht angehalten haben. Nur von dieser Reifenspur führen Spuren zur Bank, allerdings nur eine richtige Fußspur und«, hier machte er eine Pause, »eine Schleifspur.«
Dann erklärte Ritter zu einem nächsten Foto: »Hier, die Tatwaffe. Zumindest können wir davon ausgehen. Dieselbe Blutgruppe wie Wolffs; Rostspuren. Die Feinuntersuchungen laufen aber noch. Zum Rost bekommen wir noch ganz detaillierte Angaben. Der Rechtsmediziner hatte angeboten, den Schädelknochen nach Schartenspuren des Tatwerkzeugs zu untersuchen.«
»Du sagst, das war am Mittwoch. Die anderen Kraftfahrer müssten immerhin über die Tage was gesehen haben!«, hoffte einer von Ritters Leuten.
»Wie denn?«, gab Ritter zurück, »vom Weg aus ist da wenig zu erkennen. Und wenn die morgens da lang zur Arbeit fahren und abends zurückkommen, ist es glatt und außerdem stockdunkel. Da kann niemand in die Gegend gucken.«
»Und Kinder? Der Teich ist zugefroren. Ich meine, das lockt die ganz bestimmt!«, ließ der Mann nicht locker.
»Sicher, aber der Teich ist recht klein und es fließt ein starker Bach durch, da friert nichts so leicht zu. Es braucht strengen Frost«, konnte Walter mit seinen neuen Kenntnissen verblüffen, »und es dauert mindestens fünf bis sechs Tage, bis das Eis trägt. Das wissen die Wiepker sicher aus Erfahrung.«
»Auf jeden Fall müssten wir im Wagen des Täters auf allerhand Spuren vom Opfer stoßen: Blut und vielleicht sogar verwertbare Fasern von der Kleidung des Opfers«, war Thomas Ritter sich sicher, als er an die zahlreichen Schleifspuren dachte.
»Möglicherweise stammt ja der Notizzettel mit den Aktenzeichen auch vom Täter.« Judith Brunner berichtete kurz von ihrem Gespräch mit Laura Perch und reichte Lisa Lenz einige Blätter über den Tisch. »Hier, diese beiden Listen mit Namen von Tätern in der NS-Zeit müssen in der Meldestelle abgeglichen werden, ob davon jemand hier in der Nähe lebt, gewohnt hat und so weiter. Würden Sie die Kolleginnen bitte gleich in die Aufgabe einweisen?«
Lisa nickte und ergänzte dann Dr. Gredes Täterbeschreibung: »Wir suchen also einen athletischen Kraftfahrer, um die Fünfzig, mit Vorliebe für schwarze Kleidung, der zur Euthanasie forscht?«
So von der jungen Frau zusammengefasst, klang das merkwürdig, aber Judith Brunner meinte schmunzelnd: »Warum nicht? Machen Sie mir für morgen bitte einen Termin beim örtlichen Geschichtsverein? Und Herr Dreyer, würden Sie bitte Frau Perch fragen, ob sie sich bei den Universitäten
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