Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Stuhl am großen Tisch an. »Ja, Ihre Mutter hat sich Sorgen gemacht und Sie heute Morgen als vermisst gemeldet. Auch Ihren Arbeitskollegen haben Sie nicht Bescheid gegeben.«
Karoline zuckte nur mit den Achseln. Offensichtlich nahm sie viele Dinge noch zu leicht. »Erfreulicherweise konnte Ihre Freundin Vera Wagner uns Ihr Reiseziel mitteilen. Meißen. Wir haben Sie so rasch hergebeten, weil wir davon ausgehen müssen, Ihren Vater hier gefunden zu haben.«
»Gefunden? Wieso gefunden?« Es dauerte einen Moment, bevor Karoline fragen konnte: »Was ist mit ihm?«
»Er ist tot, Frau Neubauer. Er wurde in Waldau aufgefunden.«
»Wann denn?«
»Sonnabend früh.«
Karoline Neubauer blieb einen Moment still. Dann fiel es ihr ein. »Der Tote am Teich!«
»Wir haben ihn als Robert Wolff aus Meißen identifiziert. Ihre Mutter ist auf dem Weg hierher.«
Fast erfreut rief das Mädchen: »Er ist also doch hergekommen! Wissen Sie, er hatte angerufen und wollte sich mit mir treffen.«
Sie nahm den Tod ihres Vaters gefasst auf. »Wann hatten Sie sich denn verabredet?«
»Mittwoch. Nach der Arbeit, in ›Feine Sache‹. Ich wollte nicht, dass uns in Gardelegen jemand zusammen sieht und dann vielleicht meiner Mutter etwas davon erzählt. Eine Kollegin wohnt in der Nähe und hat mich dort abgesetzt.«
»Sie waren also am Mittwoch in ›Feine Sache‹?« Judith Brunner wollte sich dies explizit bestätigen lassen.
»Ja, nur ist mein Vater nicht gekommen. Da habe ich dann eben von dort den Abendbus genommen und bin nach Hause gefahren.«
Ein Alibi ist das noch nicht, dachte Judith.
Karoline Neubauer fuhr fort: »Ans Telefon ist er auch nicht gegangen und diesmal habe ich beschlossen, fährst du eben einfach hin – nach Meißen. So groß ist die Stadt nicht.«
»Diesmal?«
»Ja. Letztes Jahr ist er auch nicht gekommen.« Karoline Neubauer schien darüber immer noch enttäuscht zu sein.
»Ach, Sie waren regelmäßig verabredet?«
»Nee, ich hab ihn noch nie gesehen. Ich kenne ihn nur von Bildern.«
Judith Brunner sah Karoline mitfühlend an, die weiter erklärte: »Mutter und er hatten eben keinen Kontakt. Sie hat nur ein paar Fotos von ihm in einem ollen Album, da war er siebzehn oder achtzehn, im Hochzeitsanzug! Er sieht voll peinlich aus!« Ihre Empörung klang aufrichtig.
»Und gab es jetzt einen Anlass für den Besuch Ihres Vaters?«
»Meinen Geburtstag.«
»War der am Mittwoch?«
»Nein, vor drei Wochen. Eher hatte er wohl keine Zeit.«
»Das hat er gesagt, dass er Ihren Geburtstag mit Ihnen feiern wollte?«
»Ja, was ist so seltsam daran?«
»Nichts. Gar nichts. Wissen Sie, ich frage aus einem bestimmten Grund. Ihr Vater wurde nämlich ermordet!« Karoline Neubauer sagte nichts und sah Judith Brunner nur fassungslos lächelnd an. Dann wandelte sich ihr Antlitz in Bestürzung. »Und ich hab ihn am Teich noch rumliegen sehen!«
»Sie haben ihn aber nicht erkannt?«
»Wie denn? Vom alten Foto? Im Vorbeifahren aus dem Bus?«
Judith Brunner musste sich eingestehen, dass sie da wahrscheinlich auch niemanden erkannt hätte. Und dann noch als Wasserleiche?
Das Telefon klingelte und der Empfang meldete sich: »Walter Dreyer ist da, mit einer Frau.«
»Bitte in den Besprechungsraum«, wies Judith Brunner kurz an und wandte sich an die junge Frau: »Bitte, bedienen Sie sich mit Kaffee, Frau Neubauer. Oder möchten Sie etwas Wasser? Ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
Walter wartete im Gang vor der Tür. »Lisa Lenz ist mit ihr drin. Ich wollte einen Moment mit dir allein sein. Keine Sorge, ich sehe dich nur an, mehr passiert nicht.«
»Wenn du mich weiter auf diese Weise ansiehst, endet das hier nicht jugendfrei. Also werde bitte dienstlich«, lächelte ihn Judith an, »ich habe das Mädchen bei mir im Büro. Sie erzählt, Wolff hätte sie angerufen, um ihren Geburtstag mit ihr zu feiern. Sie hätte sich mit ihm in ›Feine Sache‹ verabredet, um dabei nicht gesehen zu werden, am Mittwoch.«
»Klingt einleuchtend. Aber woher rührte Wolffs plötzliches Interesse an der Tochter?«
»Müssen wir wohl noch herausfinden. Wie geht es der Mutter?«
»Als ich ihr sagte, wo Karoline aufgetaucht ist, wirkte sie überrascht. Als wisse sie nichts von dem Treffen der beiden.«
»Wäre das ein Motiv? Eifersucht?«
»Nach so vielen Jahren? In Waldau wusste niemand, dass sie mal verheiratet war. Ein Ehemann war nie ein Thema. Sie galt als ledige Mutter. Allerdings ...«
»Was?«
»Na, ja. Du kennst sie ja nicht. Aber
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