Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
wir in Waldau haben uns schon immer gewundert, warum sie so wenig aus sich macht. Sie ist eigentlich eine ganz ansehnliche Frau, könnte richtig was hermachen, mit etwas Geschick.«
»Ich weiß, wie du das meinst. Was ist denn nun mit ihr?«
»Also meist läuft sie mit irgendwelchen unförmigen Klamotten rum, ohne Effekt, verstehst du? Man übersieht sie eigentlich als Frau.«
»Und?«
»Na, du wirst sie ja gleich sehen. Als ich ihr sagte, dass sie mit herkommen müsse, zu einem Gespräch, wollte sie sich noch umziehen. Als ich sie dann abholte, hat es mich glatt umgehauen! Völlig verändert.«
»Na sie konnte ja schlecht in Gummistiefeln und Schürze hier auftauchen.«
»Sicher. Alle machen sich irgendwie zurecht, wenn sie in die Stadt fahren, also nach Gardelegen oder so. Das ist schon klar. Dennoch, sie ist wie verwandelt.«
»Na los, fragen wir sie ein bisschen aus«, Judith öffnete die Tür. Sie verstand sofort, was Walter ihr hatte sagen wollten. Neben Lisa saß die Eleganz in Person. Glänzendes, dunkelblondes Haar, mit einer schwarzen Samtschleife im Nacken zusammengebunden. Gekonnt geschminkt. Perlenohrringe, dazu eine passende Halskette. Ein dunkelgrünes Wollkleid, mit Abnähern geschickt auf Figur gebracht, braune Lederpumps. Das war keineswegs eine Frau, die nicht bemerkt werden wollte. Der Duft eines guten Parfüms füllte den Raum angenehm aus.
Walter Dreyer stellte sie einander vor.
»Ist meine Tochter schon hier?«, wollte Gisela Neubauer wissen.
»Ja, es geht ihr gut. Sie wartet nebenan.«
»Darf ich nicht zu ihr?«
»Doch, doch. Gleich. Einige Dinge wollten wir aber erst mit Ihnen allein besprechen«, erklärte ihr die Hauptkommissarin.
Gisela Neubauer sah sie eindringlich an. »Weiß Karoline, dass ihr Vater tot ist?«
»Sie wissen davon?« Judith sah Walter fragend an, aber auch der sah überrascht aus. Er hatte es Gisela Neubauer nicht erzählt.
»Ja, ich weiß von Roberts Tod. Was ist mit Karoline?«
»Ich habe es ihr mitgeteilt«, bekannte Judith Brunner.
»Und wie hat sie es aufgenommen?« Gisela Neubauer fragte interessiert, jedoch nicht anteilnehmend.
»Ich hatte den Eindruck, sie ertrug die Nachricht recht gut.«
»Na, Gott sei Dank!«
»Sie scheinen auch nicht besonders betroffen zu sein.« Judith Brunner sah keinen Anlass für vorsichtige Fragen.
»Bin ich auch nicht. Im Gegenteil, ich bin froh, dass ich ihn nie wiedersehen werde. Was hatte er hier zu suchen? Ich wollte ihn nicht haben!«
Walter Dreyer bemerkte alarmiert, dass sie exakt Lauras Worte verwendet hatte. Was hatte der Mann bloß getan, um diese Abwehr zu erregen?
Judith fragte weiter: »Frau Neubauer, woher wussten Sie vom Tod Ihres geschiedenen Mannes?«
»Bis heute Morgen habe ich nicht gewusst, dass er das war im Teich. Später dann sagte mir Herr Dreyer, dass ich mit hierher müsste. Also ging ich noch zu meiner Nachbarin, wegen des Viehfütterns, weil ich ja nicht wusste, wann ich heute wieder nach Hause kommen würde. Die erzählte mir von der Leiche, hatte am Teich gestanden und den Mann genau gesehen.«
Walter bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil er noch nicht alle Zeugen befragt hatte.
Gisela Neubauer berichtete weiter: »Die Nachbarin sagte, dass der Tote keine warmen Sachen anhatte, erzählte, wie er aussah und von einer Gürtelschnalle, die ich kannte.«
Judith schnappte unmerklich nach Luft. Das gibt’s ja gar nicht! Konnte der Kerl so lange mit dieser Masche erfolgreich gewesen sein? Alle Achtung!
»Na ja, viel brauchte ich dann nicht mehr, um drauf zu kommen, dass Robert tot war.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich habe lange darauf gewartet, sicher sein zu können, dass er nicht wieder kommt.«
»Können Sie uns das erklären?«
»Sehen Sie, Robert war nicht ungefährlich. Er konnte Frauen gut für sich einnehmen, auch wenn er sie dann schwer enttäuschte. Ich weiß nicht, ob ich ihm jetzt widerstanden hätte.«
»Nach all der Zeit?«
»Ja, nach all der Zeit.«
»Was hatten Sie zu verlieren?«
Gisela Neubauer lachte bitter auf. »Was ich damals auch verloren habe, als er mich nicht mehr wollte. Meinen Stolz, meine Selbstachtung, meinen Lebenssinn, irgendwie auch meine Freunde. Es hat lange gedauert, bis ich das verkraftet hatte. Und das Ganze noch einmal?«
Judith Brunner verstand diese Frau immer noch nicht. »Ich kann das trotzdem nicht nachvollziehen. Wieso fürchteten Sie eine Begegnung?«
Offen sah Gisela Neubauer zu Judith. »Er brauchte mich nur als Beiwerk,
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