Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Hoffend fragte sie: »Ist meine Mutter da? Geht es ihr gut?«
Judith konnte sie beruhigen: »Sie wartet nebenan auf Sie. Ich habe nur noch einige Fragen, bevor Sie mit ihr nach Hause fahren dürfen. Wann genau waren Sie am Mittwoch in ›Feine Sache‹?«
»Oh, so gegen fünf, denke ich. Wir schließen mittwochs schon um vier, dann machen wir im Laden alles fertig. Danach sind wir gleich los. Ja, ich denke, gegen fünf.«
Walter Dreyer ging durch den Kopf, dass die junge Frau im selben Zeitraum an dem Teich in Wiepke vorbeigefahren sein müsste, als ihr Vater an dessen Ufer erschlagen worden war. Ihm gefielen solche Zufälligkeiten nicht.
»Wo hat Ihre Kollegin Sie abgesetzt?« Judith wollte es genau wissen.
»Am Parkplatz. Ich bin dann rein und habe mich nach meinem Vater umgesehen, aber der war nicht da.«
»Wie wollten Sie ihn denn erkennen? Sie sagten vorhin, dass Sie ihn bisher nur auf Fotografien sahen.«
»Er rief mich im Laden an und hat mir beschrieben, was er anhaben würde«, erklärte Karoline.
Judith Brunner befürchtete schon, erneut von der Gürtelschnalle zu hören, jedoch blieb ihr das diesmal erspart, denn Wolffs Tochter erzählte: »Einen roten Strickpullover und einen hellgrauen Kaschmirschal. Na, so was tragen die Männer hier sonst nicht, den hätte ich sofort erkannt.«
»Kaschmirschal. Das hat er gesagt?«
Das Mädchen nickte.
Judith dachte nicht lange über die Eitelkeiten des toten Mannes nach. »Wie lange haben Sie genau gewartet?«
»Bis sieben, dann musste ich los, um den letzten Bus noch zu erreichen. Ich dachte, dass er mich wohl wieder versetzt hat.«
Das waren schon detailliertere Angaben, fand Judith, zumindest für den Mittwoch. Sie würden dafür sicher Zeugen finden.
»Und wo waren Sie Freitagnacht?«
»Freitag? Im Bett. Was denken Sie denn! Hier ist nicht viel los, kein Kino, keine Disco. Und ich musste ja Sonnabend früh wieder raus und zur Arbeit.«
Karoline Neubauer entging der Sinn der Frage zunächst, und als der Groschen gefallen war, konnte sie nur unsicher lächeln. »Das können Sie nicht wirklich denken!«
Judith Brunner klärte sie auf: »Wir werden Ihre Aussage prüfen müssen, Frau Neubauer. Mein Kollege begleitet Sie nun zu Ihrer Mutter. Verreisen Sie bitte nicht in den nächsten Tagen.«
»Na, wie fiel die Begrüßung von Mutter und Tochter aus?«, fragte Judith neugierig, als sich Walter wenig später einen der desolaten Stühle in ihrem Zimmer schnappte und sich neben ihren Schreibtisch setzte.
»Oh, Karoline war, gelinde gesagt, sprachlos, als sie ihre Mutter sah. Das hatte sie wohl nicht erwartet.«
Judith stellte fest: »Trauern tut Gisela Neubauer jedenfalls nicht um ihren Mann.«
»Warum sollte sie auch?« Walter Dreyer leuchtete die Haltung der Frau ein. »Er war ja eigentlich nicht ihr Mann. Ich bin wirklich gespannt, wie das mit den beiden Frauen nun weitergeht.«
»Na, wir überprüfen die Alibis. Das Mädchen wird unter Umständen in ›Feine Sache‹ aufgefallen sein und vielleicht hat auch jemand die Mutter gesehen.«
»Das meine ich nicht, Judith, ich dachte eher an ihr weiteres Leben bei uns in Waldau.«
»Oh, na das liegt doch auf der Hand. Da werden die Männer Schlange stehen, sowohl bei der bildhübschen Tochter als auch bei der charmanten Mutter. Außerdem erben die zwei ja nun auch, und sicher ein erkleckliches Sümmchen.«
Walter gab zu bedenken: »Beide Frauen kommen als Täterinnen nicht wirklich infrage. Mal von ihrer Verbindung zu Wolff abgesehen, glaube ich, dass das kleine Mädchen, Dany, einen Mann von einer Frau unterscheiden kann. Außerdem gehört eine Menge Kraft dazu, eine Leiche zu transportieren, Eis aufzuhacken und so weiter. Ich bin gewiss, wir können uns auf einen männlichen Täter konzentrieren. Sollten wir diesen Jesco Waldner mit auf die Verdächtigenliste nehmen?«
»Auf jeden Fall. Er kannte Waldau und den Ermordeten. Wir werden ihn befragen lassen müssen. Ich werde die Kollegen in Meißen auch bitten, sein Alibi zu prüfen. Und wir brauchen Wolffs Testament. Das muss Lisa Lenz beim Gericht in die Wege leiten.«
Walter wollte nicht mit Judith hier sitzen und über die Arbeit reden, er konnte sich so viel anderes vorstellen. Doch kam ihm dieses Gefühl irgendwie töricht vor. So zwang er sich, einfach weiter zu reden: »Wenn der Anwalt ein paarmal in Waldau war, wie Gisela Neubauer gesagt hat, ist ihm vielleicht auch Laura mal über den Weg gelaufen, ohne dass sie sich an ihn erinnern
Weitere Kostenlose Bücher