Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Er griff nochmals nach den Fotografien und stand auf, um sich von seinem Schreibtisch eine Lupe zu holen. Er begann mühsam, die Titel auf den Buchrücken zu entziffern.
»Das ist nicht nötig, Herr Kreuzer. Hier, wir haben Listen«, half ihm Judith und reichte dem Bibliothekar einen der Durchschläge.
Langsam setzte sich Peter Kreuzer hin und überflog die Papiere. Dann seufzte er. »Das habe ich jetzt fast befürchtet. Wissen Sie, ich hatte vor, es zu melden, aber erst, wenn ich mir ganz sicher wäre.«
»Was wollten Sie melden?«, fragte Judith Brunner.
»Nun ja, mir fehlen Bücher. Mehr als 50 Stück.«
Einen Moment blieb es ganz ruhig im Raum, dann fuhr er fort: »Ich hatte es bei der letzten Revision bemerkt und dachte erst, es ist ein Fehler.«
»Aber?« Judith Brunner wollte es genau wissen.
»Aber die Bücher fehlen wirklich, ich habe es noch zwei Mal geprüft. Sie sind nicht verstellt oder in der Binderei. Die Bücher sind einfach nicht mehr da. Es fehlen verschiedene Themen. Kunstgeschichte, Technik, sogar einzelne Lexikonbände. Der Zusammenhang fiel mir ein, als Sie das jetzt so erwähnten.«
»Und Sie haben Ihre Bücher auf der Liste gefunden?« Kreuzer bestätigte: »Na ja, wenigstens ein paar der Titel. Fünf, um genau zu sein, allein auf der ersten Seite. Aber ob das die hier vermissten sind, wird schwer nachzuweisen sein.«
Laura gab zu bedenken: »Das können eigentlich nicht Ihre sein, denn wir haben in den Büchern keine Bibliotheksstempel gefunden.«
»Das wundert mich nicht«, gab Kreuzer zurück, »als ich hier vor wenigen Jahren anfing, hatte lange Zeit niemand die Bibliothek fachlich betreut. Sie war sogar zeitweise geschlossen worden und lediglich ein Bücherbus war im Einsatz. Der hatte natürlich nur die Kinderliteratur an Bord und was die Leute eben so im Alltag lesen, Krimis, Reiseliteratur und vielleicht noch Abenteuerromane. Doch Nachschlagewerke oder antiquarische Bücher? Immer, wenn jemand solche Bücher der Stadt vererbt hatte, eine kleine Büchersammlung aufgelöst worden war oder ein Dachbodenfund in den Bibliotheksbestand kam, wurden die Lieferungen in einen Abstellraum gebracht. Niemand kümmerte sich weiter darum. Es war eben aus dem Weg und fertig. So fand ich dann alles vor. Eine unverschlossene Kammer und Hunderte unkatalogisierter Bücher. Da kann sonst was fehlen!«
»Wie sollte jemand an dieses Bücherlager rangekommen sein?«
»Als ich hier die Fehlbestände bemerkte und darüber nachgedacht habe, war mir eine Möglichkeit eingefallen: Ich habe da eine Initiative laufen. Mit Freiwilligen. Über den Heimatverein konnten sich Interessierte melden, die dann jeden Donnerstagabend zwei Stunden beim Katalogisieren des Bücherlagers helfen. Fremde Leute, die sich aber dann in der Bibliothek relativ frei bewegen können. Wir sind mit den Arbeiten noch lange nicht fertig.«
Judith Brunner holte einen Stift und einen Notizblock aus ihrer Handtasche. »Würden Sie mir bitte die Namen der Leute geben?«
»Es gibt eine Liste vorn am Tresen, in die sich jeder eintragen muss, wenn er kommt. Hilft Ihnen die? Etwas anderes habe ich nicht. Aber es sind sowieso nur ein paar Leute und meistens dieselben.« Kreuzer ging aus dem Zimmer, um die Unterlagen zu holen.
Die Frauen warteten gespannt.
Als Judith Brunner dann die Seiten prüfte, stand niemand auf der Liste, der ihr bekannt vorkam. »Heute Abend müssten die Leute also wieder herkommen, um Ihnen beim Katalogisieren zu helfen, ja? Und die dürfen dann ohne Weiteres in Ihre Magazine?« Judith wollte sich vergewissern, dass der Diebstahl von wertvollen Büchern hier in der Stadtbibliothek problemlos möglich gewesen wäre.
»Ich war ja meistens dabei«, bestätigte Kreuzer. Sein Ton ließ erahnen, dass er befürchtete, da wohl etwas zu vertrauensselig gewesen zu sein.
Judith Brunner forderte ihn auf: »Sehen Sie sich bitte unsere Bücherlisten genau durch und teilen uns mit, was davon aus Ihrer Bibliothek stammen könnte?«
»Völlig zuverlässig kann das aber nicht sein. Bücher haben Auflagen – da kann das eine oder andere, was ich hier zu haben oder zu vermissen glaube, auch aus einer anderen Bibliothek stammen.«
»Ach, haben Sie auch von anderen Bibliotheken gehört, dass dort Bücher fehlen?« Judith Brunner horchte auf.
»Nein, nein. Aber Sie sollten das bedenken.«
»Herr Kreuzer, Sie würden uns auch helfen, wenn Sie uns Hinweise zum Wert der Bücher auf dem antiquarischen Markt geben könnten.«
»Das
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