Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Wetterhäuschen«, wies der Techniker ihnen den Weg.
Judith Brunner begrüßte den Rechtsmediziner und merkte, dass sie froh war, ihn an ihrer Seite zu wissen. Jetzt, am frühen Nachmittag, war es einigermaßen hell und die beiden sahen sich aufmerksam um. Überall waren die Spuren der bisherigen polizeilichen Arbeiten zu sehen: Absperrband, Zahlentäfelchen, Kreidemarkierungen, Gipsreste.
Vorsichtig gingen Judith Brunner und Dr. Renz den Gartenweg entlang. Sie sahen Thomas Ritter und einen seiner Mitarbeiter vor einem winzigen Gartentor stehen.
»Na endlich«, begrüßte er sie und kam ihnen entgegen. »Hier geht es lang, da tritt man auf keine Spuren«, wies er den beiden einen Weg.
»Wer hat ihn überhaupt gefunden?«, fragte Judith Brunner.
»Das war ich«, antwortete Walter Dreyer. Er kam von der Hofseite des Hauses und nickte Dr. Renz grüßend zu. »Ich bin ein bisschen umhergegangen, als ich auf Ritter gewartet habe.« Er wies auf den niedrigen Bretterverschlag. »Ich war einfach neugierig, was da wohl drin sein mag.«
»Und, was haben Sie gefunden?«
Walter Dreyer zählte auf: »Ein Regalbord gleich über dem bloßen Boden. Ich nehme an, das ist alles Zeug zur Wettererfassung. Verschiedene Behälter aus Glas mit Skalen, Messstäbe, vielleicht für Schneehöhen, möglicherweise auch Ersatzteile. Michaelis passte da kaum noch rein.«
Dr. Renz sah Judith Brunner an. »Wollen Sie zuerst einen Blick hineinwerfen?«
Judith musste tief in die Hocke gehen, um etwas sehen zu können. Eine einfache kleine Klappe konnte aus der seitlichen Bretterwand genommen werden und öffnete ein Loch. Walter hatte recht, der Körper des Mannes füllte den freien Raum in dem Bretterverschlag ziemlich gut aus. Er lag mit dem Oberkörper zur Öffnung hin und sein Oberhemd war zerrissen. Zwei kurze Schnitte im Leib unter der Brust waren gut zu erkennen.
Sie ging beiseite und Dr. Renz begann seine Arbeit.
Ritter war zu den anderen gegangen.
So stand Judith einen Moment mit Walter allein.
»Sicher, dass es Michaelis ist?«, fragte sie ihn.
Er wählte einen warmen Tonfall: »Aber ja, ich habe mich doch am Sonnabend mit ihm unterhalten. Er hatte sogar dasselbe Hemd an.«
Dr. Renz hatte sich auf seine Knie niederlassen müssen, um erste Untersuchungen vornehmen zu können. Nun klopfte er seine nassen Hosenbeine ab und kam wieder zu ihnen. »Der ist auch schon wieder gefroren. Ich kann also nicht sagen, wie lange er dort schon liegt, aber als er reingeschoben wurde, musste er ja noch beweglich gewesen sein, sonst hätte man ihn nicht durch das Loch bugsieren können. Die Totenstarre hatte also noch nicht eingesetzt. Totenflecke hingegen hatten sich schon gebildet. Und die deuten darauf hin, dass der Mann einige Zeit auf dem Rücken gelegen hat, bevor er in diesen Bretterverschlag gepfercht wurde. Also denke ich, er wurde in den ersten ein, zwei Stunden nach der Tat umgelagert. Das ist mindestens vor der letzten Nacht passiert, sonst wäre der Körper nicht in diesem Stadium gefroren.«
»Also wurde er gestern Nachmittag oder am Abend ermordet«, überlegte Judith Brunner laut.
Dr. Renz bemerkte: »Sie wissen, ich brauche die Leiche auf meinem Tisch, um Genaueres zu sagen. Wie wollen wir den Mann da rausbekommen? Er ist, nun, etwas sperrig, so steif.«
Nach einem Moment fiel Walter Dreyer ein: »Das ist vielleicht kein so großes Problem. Die Hütte hat ja kein Fundament. Wir heben sie einfach an und stellen sie beiseite.«
Dr. Renz wirkte nicht überzeugt, indes ließ Dreyer sich nicht beirren: »Einen Versuch ist es doch wert. Ich hole mal ein paar Leute zusammen; Ritter hat doch genügend mitgebracht.«
Als Dreyer zum Haus lief, meinte Dr. Renz freundlich zu Judith: »Ihre Leichenbergungen sind wirklich nicht ohne Seltenheitswert. Schicken Sie mir den Mann rasch vorbei, damit er auftauen kann. Morgen Vormittag kann ich Ihnen vielleicht schon mehr sagen.«
Als der Rechtsmediziner abfuhr, stellte sich ein Leichenwagen auf seinen Parkplatz.
Judith Brunner instruierte kurz die Leute vom Bestattungsunternehmen und bemerkte, dass ihr Treiben von der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtet wurde.
Walter war zurück und konnte sie aufklären: »Das ist Marion Wiechert. Sie hat Michaelis zuletzt vorgestern gesehen. Sie wohnt ihm genau gegenüber. Ich habe mich vorhin mit ihr unterhalten. Neben ihr steht Horst Apel, unmittelbarer Nachbar von Michaelis. Der hat ihn schon ein paar Tage nicht gesehen, arbeitet Schicht und
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