Eisenhand
nämlich eine wunderbare Entschuldigung für ihre Überfälle und einen ungeahnt großen Absatzmarkt für die als Sklaven feilgebotenen Gefangenen.
»Falco, werden sie uns denn auch überfallen und gefangennehmen?«
»Die wissen, daß sie Rom keine römischen Bürger als Sklaven aufschwatzen können.«
»Aber was dann, Falco?«
»Sie werden uns umbringen, denke ich.«
»Ist es wahr, daß alle Barbaren Kopfjäger sind?« fragte Ascanius, der sich wieder mal einen schlechten Scherz nicht verkneifen konnte.
»Nun, wenn’s stimmt, dann wird ihnen dein Kalbskopf schon nicht entgehen.«
Ich machte mir langsam Sorgen um den Hausierer. Dubnus schien von einer rätselhaften Unruhe geplagt. Ich hatte ihm ausdrücklich erlaubt, mit den Einheimischen Handel zu treiben, aber er tat es nicht. Wenn ein Mann sich reguläre Verdienstmöglichkeiten entgehen läßt, schließe ich daraus immer, daß er auf irgendeine Art von Kopfgeld hofft – und das ist mir naturgemäß suspekt.
Ab und zu gab ich mir einen Ruck und versuchte, nett zu ihm zu sein. Bei einer dieser Gelegenheiten erkundigte ich mich nach seinen Geschäften. Ich wußte, daß die großen Handelsstraßen nach Nordeuropa von Moguntiacum aus an den Flüssen Moenus und Lupia entlangführten und dann einen Bogen rings um die baltische Bernsteinküste machten. Die Händler an Moenus und Lupia trafen etwa im Siedlungsgebiet der Brukterer mit anderen, die von der Donau heraufkamen, zusammen, und genau dorthin waren ja auch wir unterwegs. »Ich habe alle Routen abgeklappert«, sagte Dubnus. »Mit Ausnahme des Seewegs. Diese großen Schiffe sind nichts für mich. Ich bin ein Einzelgänger und ziehe am liebsten auf eigene Faust los.« Kam er deshalb so schlecht mit unserer Gruppe aus?
»Lohnt sich denn der Handel mit den Stämmen, Dubnus? Kaufen oder verkaufen sie?«
»Die verkaufen meist, wollen am liebsten ihre Beute loswerden.«
»Was denn für Beute?«
Darauf wollte er offenbar nicht näher eingehen. »Ach … alles, was sie sich halt so anderswo zusammengeklaut haben.«
»Verstehe. Und was wird so geklaut?«
»Leder, Pelze, Trinkhörner, Bernsteine, Eisenbeschläge.« Dubnus war offenbar immer noch schlecht gelaunt, weil ich ihn hatte einsperren und als unseren Dolmetscher zwangsverpflichten lassen. Jetzt grinste er verschlagen, als er sagte: »In der Gegend gibt es immer noch einen ordentlichen Vorrat an Gold und römischen Rüstungen!«
Er wollte mich mit allen Mitteln reizen. Natürlich wußte ich, worauf er anspielte. Zwanzigtausend Mann waren mit Varus umgekommen – mit der kompletten Ausrüstung der Armee, der Privatschatulle des Oberbefehlshabers und den Kisten mit dem Sold für die Mannschaften. Wahrscheinlich hatte jeder Haushalt zwischen Ems und Weser jahrzehntelang bequem von den Beutestücken dieses Massakers gelebt. Jedesmal, wenn sie ein Kalb verloren, brauchten sie nichts weiter zu tun, als sich tapfer zwischen die bleichen Knochenberge zu wagen und einen Brustharnisch zu ergattern, den sie dann gegen ein neues Tier eintauschten.
»Und was«, fragte ich ruhig, »wird am liebsten gekauft? Ich habe gehört, daß römische Bronze und Glas recht begehrt seien.«
»Stimmt! Kein Stammeshäuptling, der auf sich hält, wird ohne Silbertablett unterm Kopf und komplettes römisches Trinkservice beerdigt.«
»Und für Broschen und Anstecknadeln finden sich gewiß auch immer Interessenten?«
»Na ja, Schmuckstücke … Silber, doch, das mögen sie. Vor allem Münzen – aber nur die alten, gerändelten.« Nero hatte im Jahr vor dem großen Brand in Rom die Währung abgewertet. Auch mir waren die alten Münzen immer noch die liebsten – sie hatten so etwas Solides. In Rom garantierte der Staat den Wert der neuen leichtgewichtigen Sesterzen, aber hier in der fernen Provinz zählte nur der Metallgehalt.
»Benutzen die germanischen Stämme eigentlich Geld?«
»Nur, wenn sie mit uns Händlern Geschäfte machen.«
»Münzen sind sonst eher eine Art Schmuck, ein Statussymbol, oder? Ach, übrigens: Stimmt es, daß kein Wein importiert werden darf?«
Dubnus senkte den Kopf. »Nicht so ganz, aber wir sind hier auch nicht in Gallien, wo die Leute für ein Glas Roten die eigene Mutter verkaufen würden. Hier zählt in erster Linie der Kampf.«
»Ach, und ich dachte, die Germanen feiern so gern. Was trinkt man denn hier?«
»Met. Ein fermentiertes Gemisch aus Gerste und Früchten, die sie am Wegrand pflücken.«
»Na, der Versuchung könnte ich leicht
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