Eisenhand
langsamere der beiden Fährtensuchtrupps. Wir mußten aber auch zwischen all dem Gerümpel auf dem Waldboden jene eine, ganz bestimmte Hufspur herauslesen, während Helvetius nur unserer breitgetretenen Bahn zu folgen brauchte. Natürlich hatte er uns bald eingeholt, und wir zogen gemeinsam weiter. Nach einiger Zeit führte die Fährte nach Osten, und dann auf einmal wieder nach Süden.
»Was hat der Kerl bloß vor?«
»Mithras, wenn ich das wüßte!«
»Bin mir nicht mal sicher, ob ich’s wissen will.«
Dubnus mußte sich schon relativ früh aus dem Lager geschlichen haben und die Nacht durchgeritten sein. Anders hätte er kaum einen so großen Vorsprung geschafft. Ich beschloß, die Suche noch bis zum Abend fortzusetzen und dann abzubrechen. Bereits am Nachmittag hatten wir die Spur verloren.
Unterdessen waren die Bäume ringsum immer höher und mächtiger geworden, und in ihrem kühlen Schatten lag das tiefe Schweigen uralter Wälder. Ein großes gehörntes Insekt funkelte von einem eingerollten, welken Blatt auf uns nieder, offenbar sehr ungehalten über die ungewohnte Störung. Sonst aber war kein Lebenszeichen auszumachen.
Als wir zur Lagebesprechung anhielten, wußten wir nur eines ganz genau: Diese Gegend hatten wir mit Sicherheit niemals angepeilt. Mit etwas Glück würden uns hier auch keine feindlichen Banden aufspüren. Hatten wir dagegen Pech, so würden unsere Freunde nicht wissen, wo ihre Rettungstrupps nach uns suchen sollten – aber dem hatten wir sowieso schon einen Riegel vorgeschoben. Justinus und ich hatten auf der Festung strikte Anweisung gegeben, uns auf keinen Fall eine Suchmannschaft nachzuschicken, weil eine in den germanischen Wäldern verschwundene Expedition sowieso verloren war. Es würde also keiner nach uns suchen.
Unsere Reise hatte uns von der Bataverinsel fast durch ganz Südfriesland geführt, inzwischen waren wir vermutlich im Gebiet der Brukterer. Der Weg, den wir genommen hatten, war etwas umständlich, hatte aber den Vorteil, daß wir die normalen Handelsstraßen meiden und so länger unentdeckt bleiben konnten. Auch von den noch übriggebliebenen Römerschanzen im Delta und von den Festungen entlang des Flusses Lupia waren wir weit entfernt; mit anderen Worten, wir näherten uns den feindlichen Brukterern nicht von ihrem heimischen Fluß her, an dessen Ufern sie immer nach Fremden Ausschau hielten, sondern kamen ganz unerwartet von Norden.
Unsere Marschroute hatte uns zum größten Teil reichlich hundert Meilen (plusminus vierzig, fünfzig bei den Orientierungsschwierigkeiten in dieser Hartholzwildnis) oberhalb der Lupia entlang geführt. Dieser Weg bot eine gewisse Sicherheit, aber irgendwann mußten wir natürlich doch nach Süden. Der Orientierungspunkt, den ich mir für den Wechsel von Ost nach Süd ausgeguckt hatte, war der Kamm der Teutoburger Höhen. Wir wußten, daß der berühmte Gebirgszug zur Quelle der Lupia hin abfiel, und mußten also nur den Einstieg im Norden finden und dann der Hügelkette folgen. Helvetius erinnerte sich sogar an einen alten Patrouillenpfad, auf den freilich keiner von uns sonderlich erpicht war. Von den Höhen an gerechnet, standen uns noch einmal vierzig Meilen Geländewanderung bis hinunter ins Flußtal bevor. Inzwischen waren wir so weit vorgerückt, daß wir bei jeder Lichtung, die den Blick aufs Umland freigab, eifrig nach den ersten Erhebungen des Gebirges Ausschau hielten.
Und dann war es soweit: Wir lenkten die Pferde nach Süden.
Der Umweg, den uns die Suche nach dem Hausierer beschert hatte, war auch auf Kosten der Orientierung gegangen. In einem Gelände wie diesem konnte man sich ohnehin leicht verirren. Straßen gab es nicht, und Waldwege verlaufen fast immer ohne Plan und Ziel. Wir gerieten mitunter an welche, die einfach im Dickicht aufhörten, so daß wir uns stundenlang durchs Unterholz kämpfen mußten, bis wir einen neuen Pfad fanden. Helvetius, der in diesem Gebiet früher seine historischen Studien betrieben hatte, war der Meinung, daß wir noch ein gutes Stück vom äußersten Kamm der Teutoburger Höhen entfernt seien. Aber, meinte er tröstend, wenn der dichte Wald nicht wäre, könnte man die Berge bestimmt schon sehen. Uns blieb keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen und uns weiter durch den düsteren Forst zu kämpfen. Und solange wir geradeaus nach Süden wanderten, mußten wir irgendwann auf die Lupia stoßen.
Bei Einbruch der Dunkelheit machten wir halt. Während die Zelte aufgeschlagen wurden,
Weitere Kostenlose Bücher