Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
verschwanden etliche und suchten sich die sprichwörtliche Eiche fürs stille Geschäft. Noch war die Sonne nicht vollends untergegangen. Es war kalt. Jede Zeltschaft wärmte die Abendmahlzeit für die Gruppe, doch bis zum Essen würde es noch eine ganze Weile dauern. Helvetius teilte die Nachtwachen ein; sein Diener striegelte sein Pferd. Justinus unterhielt sich mit Sextus und einem anderen Rekruten, die ihm, der sich offenbar für Sprachen interessierte, ein paar Dialektausdrücke von der adriatischen Küste beibrachten. Ich quälte mich wie gewöhnlich mit meinen finsteren Gedanken herum.
    Zufällig sah ich, wie Lentullus vom Pinkeln im Wald zurückkam. Er duckte sich heimlichtuerisch, was bei ihm nichts Besonderes war. Aber diesmal sah er auch so aus, als ob er Angst hätte.
    Er sagte zu niemandem ein Wort. Erst wollte ich gar nicht darauf achten, ging aber schließlich doch zu ihm hinüber. »Na, alles in Ordnung?«
    »Ja, Falco.«
    »Hast du mir was zu sagen?«
    »Nein, Falco.«
    »Da bin ich aber froh!«
    »Also, wissen Sie, Falco … Oh, Jupiter! Ich glaube, ich habe was gesehen.«
    Lentullus war der Typ, der sich drei Tage überlegen würde, ob er melden solle, daß eine ausgewachsene Armee mit Korbstreitwagen, Schlachthörnern und breiten Schwertern anrückte. Er konnte Wichtiges und Unwichtiges einfach nicht unterscheiden. Der Junge würde uns eher umbringen lassen, als seine Befehlshaber durch eine Meldung zu beunruhigen.
    »Was Lebendiges?« fragte ich.
    »Nein, Falco.«
    »Einen Toten?«
    Lentullus mochte nicht antworten. Langsam sträubten sich mir die Nackenhaare.
    »Auf geht’s, Lentullus! Du und ich, wir werden jetzt mal den Hund Gassi führen.«
    Ungefähr zehn Minuten lang bahnten wir uns einen Weg durchs Dickicht. Lentullus war eine scheue Seele. Schon zweimal hatten wir ihn suchen müssen, als der Drang der Natur ihn so weit vom Lager fortgetrieben hatte, daß er nicht mehr allein zurückfand. Er blieb kurz stehen und versuchte, sich zu orientieren. Um ihn nicht vollends zu verwirren, hielt ich meinen Mund, fürchtete aber insgeheim schon, wir könnten die ganze Nacht hier draußen herumstolpern, bevor Lentullus seinen Schatz wiederfinden würde.
    Ich hasse den Wald. Wenn ringsum alles so reglos war wie jetzt, konnte man es leicht mit der Angst bekommen. Zwischen diesen Bäumen mochten noch Bären und Wölfe, Elche und Eber auf der Jagd sein. Die klamme Herbstluft streifte mich mit tückisch ungesundem Hauch. Die Vegetation war zwar üppig, aber nichts blühte mehr, und die Kräuter zu unseren Füßen waren mir allesamt fremd. Pilze hingen wie runzlige Gesichter in den uralten Baumkronen. Das verwilderte Unterholz verfing sich in den Kleidern, zog in unseren Tuniken Fäden und zerkratzte uns die bloßen Arme. Irgendein Insektensekret hatte mir den Brustharnisch mit häßlichen Flecken bespritzt. An diesem verlassenen Flecken schienen wir die einzigen atmenden Wesen zu sein, beobachtet nur noch von den unheimlichen Gaukelgebilden der keltischen Geisterwelt. Von denen spürte ich freilich eine ganze Menge, teils ganz nahe, teils in einiger Entfernung.
    Zweige knackten, wie immer im Wald zu laut und zu dicht am Ohr, als daß einem nicht mulmig geworden wäre. Sogar Tigris kniff den Schwanz ein und blieb brav bei Fuß, statt wie sonst nach Wühlmäusen und stinkenden Fährten zu stöbern.
    »Mir gefällt’s hier nicht, Falco.«
    »Zeig mir, was du gefunden hast, dann können wir gleich wieder umkehren.«
    Er führte mich noch durch das eine oder andere Dickicht, über einen riesigen umgestürzten Baumstamm, vorbei an einem toten Fuchs, den ein offenbar sehr viel größeres Tier gerissen hatte – eines, das womöglich gerade jetzt unterwegs war, sich den Rest der Mahlzeit zu holen. Tigris knurrte jedenfalls schon ganz beängstigend. Ein Mückenschwarm attackierte meine Stirn. »Da! Hier habe ich gestanden. Das sieht doch aus wie ein Weg.« Möglich. Vielleicht aber auch bloß eine Schneise zwischen den Bäumen hindurch. »Ich bin dann ein Stück weitergegangen, weil ich wissen wollte, wo der Weg hinführt …« Lentullus war von einer unstillbaren Neugier. Und Dummheit: Der Junge war imstande, einen Skorpion aufzuheben, bloß um rauszufinden, ob er wirklich sticht.
    Ich hatte immer noch keine Ahnung, was er gesehen haben mochte, aber er war so aufgewühlt, daß auch mich eine Gänsehaut überlief. »Na los, worauf warten wir noch?«
    Wir folgten dem angeblichen Pfad. Vielleicht war es einfach ein

Weitere Kostenlose Bücher