Eisenhand
dann wußte ich immerhin, vor wem ich mich in acht nehmen mußte. Schlug ich dagegen diese Chance aus, so wäre ich gezwungen, jedermann zu mißtrauen.
Ich schlug die Augen wieder auf. Der Barbier hatte offenbar gleichfalls seine grauen Zellen strapaziert, denn er fragte unvermittelt: »Man kann Ihre Dienste doch mieten?«
»Hin und wieder findet sich mal ein Dummer, ja.«
»Und wie hoch ist Ihr Tagessatz?«
»Kommt ganz darauf an, wie sehr mir der Auftrag stinkt.«
»Geben Sie mir doch wenigstens einen Anhaltspunkt, Falco!« Ich zog ein angewidertes Gesicht, tat ihm aber den Gefallen. »Soviel kann ich leicht auftreiben«, prahlte er. Ich war nicht überrascht. Kaiserliche Sklaven sacken gute Trinkgelder ein. Außerdem nahm ich an, daß Xanthus seine Europareise von einem Bankier spendiert bekam. »Ich beauftrage Sie, mich auf Ihrer Reise zu begleiten,«
»Oh süßes Abenteuer!« spottete ich. »Kriege ich denn auch jedesmal einen Bonus, wenn ich’s arrangieren kann, daß man dich verprügelt und ausraubt? Doppeltes Honorar, wenn du dir bei einer billigen Hure in Germanien was holst? Und das Dreifache, falls du im Meer ersäufst?«
Er antwortete steif: »Ihre Aufgabe wird es sein, mich zu lehren, wie man die Gefahren in der Fremde meidet.«
»Schön, Lehre Nummer eins lautet: Such dir einen anderen Reiseweg als meinen.«
Offenbar hielt er meinen Überdruß für eine romantische Pose. Nichts vermochte ihn abzuschrecken; wer immer ihm befohlen hatte, mich zu begleiten – es mußte jemand sein, dessen Befehlen man bedingungslos gehorcht. »Falco, Ihre Philosophie gefällt mir. Ich denke, wir könnten gut miteinander auskommen.«
»Also gut.« Ich tat so, als sei ich des Streitens müde. »Ich hatte schon immer eine Schwäche für Klienten, die es mögen, wenn man sie pro Stunde zwanzigmal beleidigt. Ich brauche noch zwei Tage für meine Recherchen und meine persönlichen Angelegenheiten. Wir treffen uns dann am Goldenen Meilenstein – eine so lange Reise beginne ich nämlich immer am Nullpunkt. Sei bei Tagesanbruch zur Stelle, bring deine gesamten Ersparnisse mit, zieh dir statt dieser gräßlichen roten Latschen ein paar vernünftige Schuhe an, und vergiß deine gültige Freiheitsurkunde nicht! Ich hab’ nämlich keine Lust, als Dieb kaiserlichen Eigentums verhaftet zu werden.«
»Danke schön, Falco!«
Ich winkte unwirsch ab. »Was ist schon eine Last mehr oder weniger? A propos: Vespasians Geschenk an die Legion hat ein stattliches Gewicht. Du kannst mir helfen, die Eisenhand zu tragen.«
»Oh nein, Falco!« protestierte der Barbier. »Das geht nicht, ich muß doch schon mein ganzes Werkzeug schleppen.«
Ich sagte, er müsse noch eine Menge lernen. Dabei litt ich doch, als ich mir diesen Xanthus aufhalsen ließ, bestimmt selbst an Gehirnerweichung.
B UCH II
UNTERWEGS
GALLIEN UND OBERGERMANIEN
Oktober 71 n. Chr.
»›Flaute! Aber wir kommen schon bald in
stürmische Gewässer …‹«
Tacitus, Historien
XI
Wir waren ein hübsches Gespann, der Barbier, sein Koffer mit Salben und Tinkturen, die Hand in ihrem Korb und ich.
Zwei Reiserouten standen zur Auswahl: über die Alpen via Augusta Prätoria oder zu Wasser und dann durch Südgallien. Im Oktober empfiehlt sich keine von beiden. Zwischen September und März bleibt jeder vernünftige Mensch in Rom.
Vor Schiffsreisen graust mir eigentlich noch mehr als vor dem Bergsteigen, aber ich entschloß mich trotzdem, über Gallien zu fahren. Das ist die Route, die das Militär am häufigsten benutzt – irgendwann muß wohl mal jemand ausgetüftelt haben, daß es, logistisch gesehen, die ungefährlichste ist. Außerdem war ich die Strecke einmal mit Helena gefahren (wenn auch in umgekehrter Richtung), und ich redete mir ein, daß sie, falls sie wirklich nach Germanien statt nach Spanien unterwegs war, vielleicht Orte wiedersehen wollte, die schöne Erinnerungen bargen …
Anscheinend war dem nicht so. Ich hielt die ganze Reise über Ausschau nach einer hochgewachsenen, dunkelhaarigen Frau, die den Zöllnern Beleidigungen an den Kopf warf, fand aber keine Spur von ihr. Ich kämpfte den Gedanken nieder, daß sie womöglich lebendig begraben unter einer Lawine liegen oder den feindlichen Stämmen in die Hände gefallen sein könnte, die hinter den unwegsamen Pässen Helvetiens lauern.
Wir landeten im Forum Julii, wo es noch recht angenehm war. Jedenfalls im Vergleich zu unserer nächsten Station, Massilia, wo wir übernachten
Weitere Kostenlose Bücher