Eisenhand
gebracht, aber auch zusätzliche Sorgen, denn ich hatte nichts gekauft und würde daheim sicher Prügel beziehen, wenn ich mit leeren Händen ankam. Aber ich kümmerte mich nicht weiter um die Töpfer und ihre Probleme; schließlich hatte ich genug eigene am Hals. Mein Einsatz rückte bedrohlich näher. In Lugdunum hatten wir, die strapaziöse Seereise von Ostia aus mitgerechnet, ein Drittel des Weges zurückgelegt. Je näher wir dem breiten Fluß des Rheins kamen und mit ihm den haarsträubenden Aufgaben, die Vespasian mir gestellt hatte, desto deprimierter wurde ich.
Nicht zum ersten Mal packte mich das Entsetzen vor der endlos langen Reise und der Weite des Landes.
»Schon wieder eine schlechte Nachricht, Xanthus! Auf dem Fluß kommen wir zu langsam vorwärts; bei dem Tempo ist es Winter, bevor ich meinen Auftrag erfüllt habe. Ich muß meinen kaiserlichen Paß nutzen und zu Pferde Weiterreisen. Wenn du also mit willst, dann mietest du dir am besten ein Maultier.«
Jetzt denken Sie bloß nicht, Vespasian hätte mich mit dem nötigen Kleingeld für die Miete eines Postpferdes ausgestattet, weil er um meine Bequemlichkeit besorgt war; ihm ging es wahrscheinlich nur um den Transport der Eisenhand.
Inzwischen sah man auf den ersten Blick, daß wir im Ausland waren. Statt an weitläufigen römischen Villen mit Hunderten von Sklaven, deren Herrschaft durch Abwesenheit glänzt, ritten wir an bescheidenen Pachthöfen vorbei. Schweine statt Schafe auf den Weiden und mit jedem Meilenstein weniger Olivenhaine und kümmerlichere Weingärten. An den Brücken mußten wir Nachschubtransporten den Vortritt lassen; ein sicheres Zeichen dafür, daß wir uns militärischem Sperrgebiet näherten. Städte wurden immer seltener. Und überall war es kälter, feuchter und dunkler als daheim.
Als Reisender wurde Xanthus zusehends selbstbewußter, was freilich von mir als Kindermädchen dieses Trottels nur erhöhte Wachsamkeit verlangte. Bei jedem Pferdewechsel die kleinsten regionalen Gepflogenheiten erklären zu müssen war lästig, und zu allem Überfluß hatte es auch noch angefangen zu regnen.
»Da hat mir wer ein paar ganz blöde Münzen angedreht, Falco – halbierte und geviertelte, stellen Sie sich vor!«
»Tut mir leid, das hätte ich dir sagen sollen: Kleine Münzen sind knapp hier. Aber mach deswegen keinen Ärger, das würde dich nur als ahnungslosen Touristen entlarven. Halbe Münzen gelten hier in der Provinz nämlich als Zahlungsmittel. Paß bloß auf, daß du keine mit heim nimmst. Falls wir je heimkommen.« Was ich in meiner momentanen düsteren Stimmung stark bezweifelte. »Du wirst dich schon daran gewöhnen. Verschwende nur keinen As oder Quadrans, wenn du mit einer größeren Münze zahlen kannst, und horte dein Kleingeld für schlechte Zeiten. Wenn den Kellnerinnen das Wechselgeld ausgeht, geben sie Küsse, und wenn die alle sind …« Ich schauderte vielsagend.
»Blödes System!« maulte Xanthus. Der typische Friseur. Kein Sinn für Humor.
Mit einem heimlichen Seufzer schob ich die sachliche Erklärung nach: »Die Soldaten werden in Silber ausbezahlt. Sesterzen lassen sich nun mal leichter en gros transportieren. Das Schatzamt hat noch nie daran gedacht, auch ein paar Kisten Kleingeld als Taschengeld für die Kameraden rüberzuschicken. Lugdunum hat zwar eine eigene Münzanstalt, aber offenbar mag man aus Bürgerstolz die großen Glitzertaler lieber.«
»Wenn diese Provinzler doch bloß auch ihre Preise halbieren würden, Falco.«
»Was meinst du, was ich mir alles wünsche!«
Ich nahm mich zusammen, obwohl ich fast am Ende war. Wenn es doch endlich aufhören wollte zu regnen! Wenn ich nur endlich Helena finden könnte. Sicher daheim in Rom wäre und einen leichten Auftrag ohne Risiko hätte. Während der Barbier unerbittlich weiterquasselte, wünschte ich mir aber am meisten, ihn loszuwerden.
Wir verbrachten die Nacht in einem der für diesen Landstrich typischen Dörfer: eine langgezogene Ortschaft mit einer Hauptstraße, die hauptsächlich auf das Geschäft mit Touristen eingerichtet war. An Herbergen war kein Mangel, und als wir eine saubere gefunden und unser Gepäck dort deponiert hatten, gab es eine große Auswahl an Gasthäusern für einen Tapetenwechsel. Ich entschied mich für ein hell erleuchtetes, säulengeschmücktes Lokal, und wir tasteten uns hinunter in den schummrigen Keller, wo schon andere Reisende an runden Tischen saßen und kalten Braten oder Käse verzehrten und dazu
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