Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
zur Grenze. Hier hatten sie offenbar angehalten, weil sie über etwas gestolpert waren. Wie aus dem Korb gekullerte Karotten standen sie auf der Landstraße herum, zwanzig Siebzehn- und Achtzehnjährige, denen der schwere Helm noch ungewohnt war und wohl langsam dämmerte, wie stumpfsinnig so ein langer Marsch ist. Aber mit dem Problem, über das sie hier gestolpert waren, kam offenbar selbst ihr Zenturio nicht zurecht, der gewiß schon einiges erlebt hatte. Er wußte, daß er Recht und Gesetz repräsentierte und etwas unternehmen mußte. Lieber hätte er sich freilich an die Parole »Augen geradeaus« gehalten und wäre schleunigst weitermarschiert. Ich, ehrlich gesagt, auch.
    Dagegen sprach, daß die Rekruten die Leichen zweier Reisender im Abzugsgraben entdeckt und eifrig ihren Zenturio herbeigerufen hatten, der nun notgedrungen anhalten mußte. Als wir dazukamen, sah der Mann gar nicht gut aus. Er war hinuntergeklettert, um die Leichen zu inspizieren, und im nassen, schlüpfrigen Gras ausgerutscht. Er hatte sich das Kreuz verrenkt, seinen Mantel eingesaut und war mit einem Bein bis zur Hüfte im Schlamm versunken. Unter einem Schwall von Flüchen war er eben dabei, sein Bein mit einem Büschel Gras sauberzureiben, als Xanthus und ich neugierig unsere Reittiere zügelten und ihn dadurch noch mehr in Rage brachten. Wie immer er das Problem jetzt auch anpackte, er mußte mit zwei kritischen Zeugen rechnen.
    Wir hatten Lugdunum durchs Nordtor verlassen und waren der Sâone auf der Konsularstraße gefolgt, einer vom Militär als Direktverbindung zu den beiden Germanien angelegten Schnellstraße. Dieser auf Staatskosten unterhaltene Verkehrsweg war ein Meisterstück moderner Ingenieurkunst: zuunterst eine Schicht festgestampfte Erde, dann ein Lage Kies, darüber Geröll und endlich ein Betonbett für das Pflaster, dessen Wölbung wasserabstoßend wie ein Schildpattpanzer war. Die Straße lag etwas höher als das Umland, was als Schutz vor Wegelagern gedacht war, denn von der Fahrbahn aus genoß man weithin freie Sicht. Zu beiden Seiten der Straße verliefen steile Abzugsgräben.
    Die neugierigsten unter den jungen Rekruten waren ihrem Zenturio hinterhergeschlittert. Seit dem Abmarsch aus der Heimat hatten sie nichts so Aufregendes mehr erlebt. Eben rollten sie den dicken Leichnam auf den Rücken. Ich glaube, ich war schon auf die Entdeckung gefaßt, noch bevor ich sein Gesicht sah. Vom langen Liegen im Regenwasser war es aufgedunsen, aber trotzdem erkannte ich den einen der beiden Männer aus Lugdunum. Und ich erkannte auch seinen Gefährten, obwohl der noch mit dem Gesicht im Schlamm lag; aber die Warzen an seinen Händen waren unübersehbar. Bevor man ihn in den Graben geworfen hatte, waren dem armen Teufel nämlich die Hände auf dem Rücken zusammengebunden worden.
    Was immer diese beiden so in Rage gebracht hatte, das Schicksal hatte einen unfehlbaren Weg gefunden, ihnen darüber hinwegzuhelfen.

XIV
    Der Zenturio stopfte die baumelnden, bronzebeschwerten Enden seines Leistenschutzes in den Gürtel und reichte seinen Helm einem Soldaten, der ihn mit spitzen Fingern am Trageriemen hielt. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, aber die Feuchtigkeit, die man auf Reisen in den Norden offenbar nie aus den Kleidern bekommt, hing noch schwer in den wollenen Falten des scharlachroten Offiziersmantels, der sich im versilberten Wehrgehenk verfangen hatte. Als er den Kopf hob, las ich in seinen Augen müde Resignation; kein Wunder, hatten wir ihm doch durch unsere Ankunft den Weg verbaut, die Leichen mit Reisig zuzudecken und sich dann klammheimlich davonzumachen.
    Ich lehnte mich vor und nickte ihm kurz zu.
    »Schaff die Zivilisten weg, Soldat!« bellte er. Die Rekruten waren noch so unbedarft, daß sie, statt stur davon auszugehen, der Befehl gelte dem Nächsten im Glied, geschlossen gegen uns aufmarschierten. Ich blieb, wo ich war. »Zeigen Sie denen doch Ihren Paß!« zischte Xanthus laut; offenbar meinte er, wir säßen in der Klemme – was wir nach seiner vorlauten Einmischung auch prompt waren. Ich ignorierte ihn, aber der Zenturio wurde ganz starr. Jetzt würde er genau wissen wollen, wer wir waren, und wenn er so gründlich war, wie er aussah, auch gleich noch, wo wir hin wollten, wer uns geschickt hatte, was wir hier in der Wildnis zu suchen hatten und ob unser Geschäft sich irgendwie nachteilig für ihn auswirken könnte.
    Das gab genug Stoff, um uns mindestens zwei Wochen lang zu verhören. Mein unheilvolles

Weitere Kostenlose Bücher