Eisenhand
heimisches, obergäriges Bier tranken. Da alle einen Tagesritt im strömenden Regen hinter sich hatten, hingen säuerliche Dampfschwaden in der Luft, die wollenen Überziehern und durchweichten Stiefeln entquollen. Aber das Lokal war warm und trocken, und die Rohrkerzen auf den Tischen verbreiteten ein angenehmes Licht. Es herrschte eine »Hier-ist-der-Gast-König«-Atmosphäre, in der sich selbst jene von den Strapazen der Reise entspannten, die sich eigentlich nicht entspannen wollten, aus Furcht, das Schicksal könne sie nachher dafür büßen lassen.
Wir tranken. Wir aßen. Xanthus wurde zusehends aufgekratzter; ich sagte nichts. Er bestellte Bier nach; ich klimperte mißmutig mit meinem Geld. Die Zeche würde wie üblich an mir hängenbleiben. Xanthus fand viele Möglichkeiten, sein Urlaubsgeld zu verplempern, war aber so gewitzt, nur dann tief in die Tasche zu greifen, wenn ich ihn allein losziehen ließ. Er hatte uns bis an die Ohren mit Souvenirs eingedeckt – klirrende Lampen, kleine Statuen kraftstrotzender einheimischer Gottheiten und Amulette aus dem Rad eines Streitwagens –, aber die Rechnung für unser Abendbrot blieb irgendwie immer an mir hängen.
In diesem Lokal wurde großzügig kassiert: Die Gäste zahlten erst ganz am Schluß. Ein guter Trick, um den Leuten mehr abzuknöpfen, als sie eigentlich hatten ausgeben wollen, aber als ich mich an die Theke schleppte, um meine Rechnung zu überprüfen, fand ich den Aderlaß nicht allzu schmerzlich, gemessen an dem, was der Barbier gegessen und getrunken hatte.
Ein schöner Abend – für einen Mann, der ihn unbeschwert genießen konnte.
Ich schickte Xanthus schon voraus, während ich das übliche Gezeter des Personals abwartete, das genug Kleingeld zusammenkratzen mußte, um mir herauszugeben. Als ich auf die Hauptstraße hinaustrat, war meine treue Nervensäge verschwunden. Ich hatte es nicht eilig, ihn einzuholen. Endlich hatte es aufgehört zu regnen, und zwischen hohen, flüchtigen Wolkenbänken funkelte ein Sternenteppich am pechschwarzen Himmel. Morgen würde es wahrscheinlich wieder wie aus Kübeln schütten, aber jetzt hielt ich einfach genießerisch das Gesicht in den stürmischen, trockenen Wind. Die Straße war menschenleer. Ein Anfall von Reisemelancholie überfiel mich.
Rasch entschlossen machte ich kehrt, ging ins Lokal zurück und bestellte eine Schale Rosinen, dazu ein Glas Wein.
Die Gaststube hatte sich inzwischen ziemlich geleert. Da ich nun die Auswahl hatte, suchte ich mir einen anderen Platz, einen, von dem aus ich die anderen Nachtschwärmer beobachten konnte. Einige Männer unterhielten sich in kleinen Gruppen, andere tafelten allein. Zwei fielen mir auf, weil sie, obwohl offenbar zusammengehörend, kein Wort miteinander wechselten. Es sah nicht nach Streit aus; die beiden wirkten einfach noch deprimierter, als ich es gewesen war, bevor ich Xanthus loswurde.
Eine Kellnerin zündete auf dem Tisch der beiden eine frische Kerze an. Als die Flamme wuchs, erkannte ich das Paar; sie trugen hochgeschlossene Tuniken unter brombeerfarbigen gallischen Mänteln mit spitzer Kapuze. Der eine war dick und mittleren Alters; der andere hatte rötliches Haar und wuchernde Warzennester auf Wangen und Händen. Kein Zweifel, es waren die beiden, die sich in der Keramikfabrik mit den einheimischen Töpfern gestritten hatten.
Hätten die zwei gesprächiger gewirkt, dann wäre ich vielleicht hinübergegangen und hätte sie angesprochen. Aber sie waren in Gedanken versunken, und ich war müde und genoß dieses mühsam ergatterte Stündchen meines Alleinseins. Ich aß meine Rosinen auf. Als ich das nächste Mal aufblickte, waren die beiden im Aufbruch. Vermutlich besser so. Sie hatten mich in Lugdunum wahrscheinlich gar nicht bemerkt, und außerdem waren sie so außer sich gewesen, daß sie bestimmt nicht an diese häßliche Szene erinnert werden wollten. Morgen würden wir mit unterschiedlichem Ziel Weiterreisen, und eine weitere Zufallsbegegnung war mehr als unwahrscheinlich.
Und doch sahen wir uns wieder. Das heißt, ich sah sie . Am nächsten Morgen, das Dorf lag schon eine halbe Stunde hinter uns, wunderte sich der Barbier immer noch wortreich darüber, wo ich am Abend zuvor so lange gesteckt hätte. Ich ignorierte seine Litanei wie üblich mit zusammengebissenen Zähnen, als wir plötzlich auf zwei Zeltschaften von Rekruten stießen. In Gallien selbst waren keine Rekruten stationiert. Diese Grünschnäbel waren also wohl auf dem Marsch
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