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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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meisten schafften die steile Böschung nicht auf Anhieb, sondern purzelten ein paarmal wieder runter. »Schluß mit dem Theater!« grollte Helvetius, hatte aber offenbar doch viel Nachsicht mit ihnen.
    Ich grinste. »Der Nachwuchs heutzutage ist, scheint’s, überall gleich begriffsstutzig.« Wie jeder Ausbilder haßte er es, wenn Fremde seinen Haufen kritisierten, aber er ließ es durchgehen. »Zu welcher Legion gehören Sie?«
    »Erste Adiutrix.« Von Cerialis über die Alpen geholt und der Sondereinheit zugeteilt, die den Aufstand niederschlug. Ich hatte vergessen, wo die Erste zur Zeit stationiert war. Als ich hörte, daß er nicht von der Vierzehnten war, fiel mir ein Stein vom Herzen.
    Xanthus fragte gerade einen der Rekruten, zu welchem Lager sie unterwegs seien, aber der Junge wußte es nicht. Der Zenturio mußte es wissen, aber er stellte sich taub, und ich fragte ihn auch nicht.
    Wir trennten uns von den Soldaten und ritten weiter zur Cavillonumer Kreuzung, von wo ich nach Süden abzweigen wollte. Nach einer Weile erklärte mir Xanthus stolzgeschwellt, er habe die Toten wiedererkannt.
    »Ich auch.«
    Er war enttäuscht. »Aber Sie haben kein Wort gesagt!«
    »Wieso sollte ich?«
    »Und was geschieht jetzt?«
    »Der Zenturio wird einen Richter beauftragen, die Leichen zu holen und einen Suchtrupp auf die Verbrecher ansetzen zu lassen.«
    »Und Sie glauben, daß man die schnappt?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Woher wissen Sie, daß das ein Zenturio war?«
    »Er hat sein Schwert links getragen.«
    »Tragen einfache Soldaten es auf der anderen Seite?«
    »Genau.«
    »Wieso?«
    »Weil sich dann Scheide und Schild nicht ins Gehege kommen.« Für einen Infanteristen konnte Bewegungsfreiheit über Leben und Tod entscheiden, aber solche Details interessierten Xanthus nicht.
    »Wissen Sie was?« trällerte er begeistert. »Es hätte genausogut uns treffen können. Wenn Sie und ich heute morgen früher als die beiden aufgebrochen wären, dann hätten die Diebe vielleicht uns erwischt.«
    Ich sagte nichts. Da er glaubte, mir einen Riesenschreck eingejagt zu haben, ritt er mit überlegener Miene weiter. Das war auch so eine seiner irritierenden Angewohnheiten: Er konnte ein Problem zur Hälfte durchdenken, dann gab sein Hirn den Geist auf.
    Selbst wenn er und ich im Morgengrauen mit klimpernden Satteltaschen und der Aufschrift »Greifen Sie zu!« in drei europäischen Sprachen losgeritten wären, hätten uns die Mörder der beiden unglücklichen Kerle kein Haar gekrümmt. Es handelte sich nämlich nicht um ordinäre Wegelagerer. Einiges an dem Fall war ungewöhnlich – das war Helvetius ebenso aufgefallen wie mir. Erstens waren die beiden aus Lugdunum nicht am Morgen ums Leben gekommen. Die Leichenstarre war nämlich bereits eingetreten, und ihre durchweichten Kleider bewiesen, daß sie schon die ganze Nacht im Graben gelegen hatten. Wer aber reist bei Nacht? Nicht einmal kaiserliche Kuriere, es sei denn, ein Cäsar ist gestorben oder sie haben Einzelheiten über einen sehr peinlichen Skandal zu befördern, in den ganz hohe Tiere verwickelt sind. Im übrigen hatte ich die armen Opfer ja noch bei ihrem letzten Abendbrot gesehen. Da wirkten sie unglücklich, gewiß, aber doch längst nicht so, als müßten sie noch im Finstern mit Laternen weiterhetzen. Sie hatten genauso geruhsam in dem Lokal gesessen wie die übrigen Gäste.
    Nein. Diese beiden waren (vermutlich kurz nachdem ich sie gesehen hatte) noch in eben diesem Dorf getötet und dann im Schutz der Dunkelheit ziemlich weit weg transportiert worden. Wäre ich nicht solange über meinem Wein hocken geblieben, hätte ich den Überfall vielleicht sogar noch mitbekommen; ja, ich hätte ihn womöglich verhindern können. Höchstwahrscheinlich hatte man ihnen beim Verlassen des Lokals aufgelauert, sie in einer finsteren Gasse zusammengeschlagen und erdrosselt und die Morde im nachhinein als x-beliebiges Bubenstück einer Wegelagererbande inszeniert; wie ein Routinefall sollte es aussehen, damit niemand Fragen stellen würde.
    »Alles bloß Zufall, Falco, wie?«
    »Kann sein.«
    Kann auch nicht sein. Aber mir fehlte die Zeit für gründlichere Nachforschungen. Eine Frage ging mir freilich unablässig im Kopf herum: Verdankten die beiden ihr trauriges Schicksal ausschließlich ihrem persönlichen Problem in Lugdunum oder bestand da eine Verbindung zu mir und meiner Aufgabe?
    Ich sagte mir, daß ich es nie erfahren würde.
    Was aber nichts geholfen hat.

XV
    Argentoratum

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