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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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hatte vergessen, was Gastfreundschaft heißt – wenn die Leute dort denn je ein Gespür dafür hatten. Seit Rom sich für Germanien interessierte, befand sich ein riesiger Militärstützpunkt in der Stadt, und darunter hatten ihre guten Manieren gelitten. Meine eigene Legion, die Zweite Augusta, hatte ursprünglich hier ihr Hauptquartier. Zu der Zeit, als ich ihr in Britannien zugeteilt wurde, erinnerten sich nur noch ein paar grantige Veteranen an das Leben am Rhein. Aber da Rom in Britannien immer einen ziemlich wackeligen Stand hatte und wir davon träumten, in ein angenehmeres Klima verlegt zu werden, sprachen die Männer in meiner Legion von Argentoratum stets so, als ob wir immer noch dorthin gehörten.
    Das hieß freilich nicht, daß ich auf gute Behandlung hoffen durfte, als ich jetzt den Fehler beging, dort Station zu machen.
    Ich war früher schon in dieser Trutzburg gewesen, und zwar auf dem Weg zu noch schlimmeren Orten. Doch beim letzten Mal hatte ich zumindest Camillus Justinus hier getroffen, der mich zu einem unvergeßlichen Festmahl eingeladen und mir sowohl die großen Sehenswürdigkeiten als auch das Rotlichtmilieu gezeigt hatte. Leider waren erstere nicht so spektakulär, wie Argentoratum sich das einbildete, und letzteres nicht so aufregend, wie ich damals gehofft hatte. Ich war deprimiert – mit anderen Worten, ich war verliebt, auch wenn ich das damals noch gar nicht kapiert hatte. Inzwischen fragte ich mich, ob Camillus gemerkt hatte, daß seine würdevolle Schwester (deren Leibwächter ich eigentlich sein sollte, nur daß Helena wie üblich ihren eigenen Kopf durchsetzte) alles daran setzte, mich einzufangen und wie ein Singvögelchen im Käfig zu zähmen. Ich freute mich schon darauf, ihn das zu fragen und mit ihm zusammen über diesen köstlichen Witz zu lachen (aber dazu mußte ich ihn erst einmal finden).
    So ein großer Stützpunkt hat seine Nachteile. Zum Beispiel findet man am Tor nie einen Wachposten, den man schon kennt, weil nämlich der freundliche Beamte, an den man sich vom letzten Besuch erinnert, längst das Weite gesucht hat. Und die Stadt ist auch nicht erfreulicher. Die Einheimischen sind so sehr damit beschäftigt, den Soldaten das Geld aus der Tasche zu ziehen, daß ihnen die Durchreisenden vollkommen gleichgültig sind. Die Männer sind schroff und die Frauen hochnäsig. Die Hunde bellen und die Esel beißen.
    Nach langem Hin und Her zerrte ich Xanthus an einer maulenden Warteschlange vorbei zum Wachlokal. Ich hätte mich natürlich als Bote des Kaisers eintragen und in ein Quartier im Kastell steckenlassen können, aber das hätte bedeutet, einen Abend lang vor der Intendantur zu katzbuckeln, und das wollte ich mir ersparen. Aus einem der Posten konnte ich alle schlechten Nachrichten rauskitzeln, die ich brauchte: Es war keine edle Schwester eines edlen Tribun eingetroffen, und Seine Hochwohlgeboren, Camillus Justinus, weilte nicht mehr in Argentoratum.
    »Sein Nachfolger ist schon seit zwei Wochen hier. Justinus’ Gastspiel bei uns ist vorbei.«
    »Was denn – ist er schon zurück nach Rom?«
    »Ha! Wir sind hier am Rhein; so leicht kommt uns keiner davon! Nein, nein, Justinus wurde bloß versetzt.«
    »Und wo ist er jetzt stationiert?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß wir seit neuestem die Parole für die Nachtwache von einem bartlosen kleinen Idioten kriegen, der frisch aus der Philosophieschule kommt. Der gestrige Geniestreich hieß Xenophobie . Heute sitzen drei Posten im Bau, weil sie die Parole vergessen haben, und ein stellvertretender Zenturio rennt rum wie ein Bär, der sich in’nen Dornbusch gesetzt hat, weil er seiner besten Zeltschaft ein Disziplinarverfahren anhängen muß.«
    Gegenwärtig konnte sich keine Legion in Germanien Schnitzer der Wachmannschaft leisten. Über die Provinz war schließlich das Kriegsrecht verhängt – und zwar aus gutem Grund. In solchen Zeiten ist kein Platz für einen idiotischen Tribun, der sich aufspielen will.
    »Ich denke, der Legat wird eurem neunmalklugen Neuen schon tüchtig die Leviten lesen!« Ich unterdrückte meine Sorgen um Helena und konzentrierte mich auf ihren Bruder. »Vielleicht ist Camillus Justinus zu einer der Elitelegionen beordert worden?«
    »Soll ich mich mal erkundigen?« Der Posten tat so, als wolle er dem Freund eines Tribun gar zu gern behilflich sein, aber wir wußten beide, daß er nicht vorhatte, von seinem Schemel aufzustehen.
    »Bemühen Sie sich nicht«, versetzte ich mit mokanter

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