Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
Pferd direkt an ihm vorbei, schien Richtung Arena zu fliegen, berührte die Treppenstufen kaum. Von allen Seiten kamen Pferde einfach so die Treppen hinuntergeschwebt. Pferde und Menschen, die die Schwerkraft außer Kraft setzten. Pferde, die stiegen und stürzten, immer schneller, dramatischer. Marco beherrschte sein Geschäft. Eine Story wie bei einem Feuerwerk, in ansteigender Dramatik, ein furioses Finale. Die Welt der Gralsritter, die ewige Faszination ein und desselben Themas. Aber im Gegensatz zu so manchem Nebel-von-Avalon-Artus-Heldenmut-Film war er hier keine Sekunde abgelenkt. Die Atmosphäre war so dicht, diese Unmittelbarkeit ergriff auch ihn. Doch, er begann zu verstehen.
    Langsam wälzten sich die Menschen die Treppen hinauf. Gerhard mittendrin, er wurde bis zur Burg gespült. Vor dem Thronsessel war die Hölle los. Überall hielten sie diese kleinen Digitalkästchen hoch, blitzten, drängelten. Einige erhitzte Gestalten stolperten immer wieder aus dem Pulk heraus. Sie hatten ein Programm oder einen Zettel an die Brust gedrückt. Es dauerte eine Weile, bis Gerhard begriff, dass da jemand wohl Autogramme gab. Nach etwa zwanzig Minuten dünnte sich der Pulk etwas aus, und Gerhard kam näher heran.
    Auf einem einfachen Holzstuhl saß Hugo. Verschwitzt, erschöpft. Und schrieb Autogramm für Autogramm. Kinder mit Holzschwertern und Frauen aller Altersklassen drückten sich neben ihn und ließen sich ablichten. »Foto mit dem Schwarzen Ritter, Photo with the Black Knight «. Er war fast versucht, Hugo zu retten, ihn da rauszuholen. Es war unwürdig.
    Da kam Jo. In einem grün schimmernden Gewand mit Trompetenärmeln. Sie trug einen hohen Kopfschmuck mit Bändern, die über ihre Schultern fielen, und ihre Augen schimmerten ebenfalls metallisch grün. Gerhard kannte Jo so viele Jahre. Er hatte sie gesehen als sie zwanzigjährig so verdammt hübsch gewesen war. Er hatte sie gesehen in schlechten Zeiten, aschfahl, müde, gealtert. Er hatte sie erlebt, als sie üppig war und dann wieder viel zu dünn. Er hatte Jo durch Höhen und Tiefen begleitet. Aber noch nie war sie so schön gewesen wie heute. Die Menge spürte das auch, sie bildete einen Korridor. Jo baute sich vor Hugo auf.
    »Liebe Mittelalterfreunde! Wir danken Ihnen für Ihr Interesse. Aber bitte verstehen Sie, dass der Schwarze Ritter nun auch eine Pause braucht. Eine ganz neuzeitliche Dusche. Sehen Sie sich noch auf dem Markt um, auf der Rabenbühne geht’s auch gleich weiter. Danke, liebe Freunde!«
    Das Volk klatschte, als wäre sie eine Königin. Hugo war hinter ihr aufgestanden. Und beide gingen hinaus. Unangetastet. Unter Applaus. Wem galt der Applaus? Jo oder Hugo? Gerhard war sich nicht sicher. Nein, Hugo musste er nicht retten, der hatte seine Retterin!
    Er sah sich um. Was hatte Jo gesagt? Die Rabenbühne? Ein Mädchen neben ihm schürzte ihren Leinenrock und packte gerade ihr Mini-Handy und eine noch kleinere Digitalkamera weg. Stopfte beides in einen Jutebeutel, der ihr über der nackten Schulter hing. Sie lächelte Gerhard an. Er fasste sich ein Herz.
    »Was ist denn die Rabenbühne?«
    Sie sah ihn verächtlich an, drehte sich ohne Antwort einfach um und verschwand im Pulk. Nein, irgendwie war das nicht seine Welt. Eine Welt der Rabenbühnen. Er schlenderte weiter über das Gelände. Es war merklich ruhiger geworden. Die Turnierbesucher waren mehrheitlich abgezogen. Er gelangte vor eine Kellerkneipe namens Räuberhöhle. Davor lungerten einige junge Männer herum. Gerhard brauchte eine Weile, bis er überhaupt begriff, dass die Typen Ritter waren. Kleine schmale Jungs in Jeans, die sich herumdrückten wie bestellt und nicht abgeholt. Unsicher. Waren das die Helden der Arena? Auf ihren feurigen Rössern? Helden in Jeans, die vor kurzem den Boden noch zum Zittern gebracht haben. Was hatte Marco gesagt? Das Pferd erst macht dich zu dem, was du bist! Ohne Pferde waren sie wie amputiert, wirkten unbeholfen.
    Sie verschwanden in der Räuberhöhle, Gerhard ging hinterher. Drinnen tobte Stimmungsmusik, die alles andere als mittelalterlich war. Neben ihm kippte ein Mädchen in einem Samtgewand und Haarreif Wodka Red Bull. Komasaufen zwischen den Welten. Er bekam Platzangst, die Ritter wohl auch. Draußen traf man sich.
    Jean-Paul erkannte ihn, winkte ihm linkisch zu. Dann befummelte er wieder ein Mädchen, das ihr Leben wohl im Solarium zubrachte. Und einen tollen Verschleiß an Kajal haben musste. Fast bedauerte er den kleinen Jean-Paul, aber man

Weitere Kostenlose Bücher