Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
verzweifelt an.
»Bella, was soll ich tun?«
Sie blieb ihm die Antwort schuldig. »Jo hat ihre Pferde zurückgelassen. Um Himmels willen, es muss ihr richtig schlecht gehen!«
Als sie Toni verließen, war es halb drei. Es hatte wieder zu regnen begonnen. Gerhard fuhr Evi zu ihrer neuen Bleibe in der Greitherstraße. Er hatte die kurze Fahrt lang voller Unwohlsein überlegt, wie er Evi wohl nahe bringen sollte, dass er morgen unbedingt nochmals nach Kaltenberg musste. Darüber hätte er nicht nachdenken müssen. Evi war Hellseherin. Oder einfach eine Frau.
»Du willst morgen wieder nach Kaltenberg, oder?«, fragte Evi, die sich anschickte, die Wagentür zu öffnen.
Er nickte.
»Weinzirl, du bist wie ein offenes Buch. Können wir morgen ganz in der Frühe den Biobauern besuchen? Melanie und Felix haben herausgefunden, um welchen Hof es sich handelt. Wir sollten dahin, du kannst ja danach nach Kaltenberg. Wenn du mir versprichst, abends wieder da zu sein. Wir müssen unsere beiden Hauptverdächtigen aufsuchen. Das passt insofern ganz gut, als Baier vorhatte, die beiden Herrschaften erst abends zu überfallen. Zu Hause, ganz spontan.«
Na, Evi hatte ja alles schon perfekt im Griff. Wie immer, Das-Leben-im-Griff-Haben war ihre Domäne. Nur einmal hatte er Evi sehr derangiert erlebt. Als sie mit einem Ulmer Kollegen ein Techtelmechtel gehabt hatte. Mit einem Halb-Italiener-Halb-Schwaben, für den sie wohl mehr empfunden hatte, als sie zugab. Als sie hingegen kurz mit Gerhard liiert gewesen war, war sie cool geblieben. Gerhard kam das alles vor, als sei es Ewigkeiten her. Er hatte das alles vergessen, sich hundert Jahre Zeit nehmen und tausend Kilometer Abstand dazwischen bringen wollen. So schnell vergingen hundert Jahre, so relativ waren Distanzen.
»Danke, Bella. Ich sehe dich morgen um acht im Büro, und danach brechen wir zu dem Hof auf. Und ich verspreche, nein gelobe, um achtzehn Uhr spätestens wieder da zu sein.«
Sie beugte sich herüber und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und sagte im Aussteigen. »Grüß Jo. Sag ihr, ich ruf sie an.« Sie lächelte und ging davon. Gerhard sah ihr nach. Hundert Jahre konnten wirklich sehr schnell vergehen.
Als Gerhard kurz vor acht im Büro war – Samstag hin oder her –, kam ihm Evi entgegen.
»Gerhard, ich habe da auf dem Gang einen Mann getroffen, der hat ein Geschenk für dich.« Sie verschluckte sich fast an ihrem unterdrückten Lachen.
»Ja, sag ihm, dass das Beamtenbestechung ist und ich sowieso keine Geschenke annehmen darf!«, sagte Gerhard unwirsch. Er hatte den ganzen Abend über Evi und Jo nachgedacht und dann zum wiederholten Male versucht, Anastasia-Kassandra zu erreichen.
Anastasia-Kassandra, die Schamanin. Offiziell für ihre Kunden im Dienste der Esoterik unterwegs und im Grunde ihres Herzens eine grundgute Haut mit viel Bodenhaftung. Das war die Seite an ihr, die Gerhard schätzte und ein paar gemeinsame Nächte. Normalerweise war es doch der Mann, der sich nicht mehr meldete. In dem Fall war es anders: Ihr AB und ihre Mailbox kündeten nur von ihrer Abwesenheit. Wo war das Weib? Sie hätte sich wirklich mal melden können. Irgendwie wurmte ihn das. Außerdem brauchte er sie jetzt. Brauchte sie, weil ihm seine Ex-Gespielinnen Jo und Evi so nahe kamen? Wo war sie bloß?
Baier war hinzugekommen und zwinkerte Evi zu.
»In dem Fall sollten Sie vielleicht besser doch mal raus kommen.« Er sank auf einen Stuhl und lachte schallend.
Na, das fing ja gut an. Baier und Evi rotteten sich jetzt schon gegen ihn zusammen. Gerhard erhob sich und ging zu Tür, Evi dicht hinter ihm. Im Gang stand Tafertshofer und winkte ihm mit der linken Hand frenetisch zu. Mit der rechten Hand konnte er nicht winken, denn mit ihr hielt er etwas, das wie ein Nikolaussack über seiner Schulter hing. Mit einem Ruck beförderte er es nach vorne. Eine halbe Sau, gefroren!
»Herr Kommissar, i hob mi erkundigt. Des is koa Bestechung, des is a Spende fürs nächste Polizeifestl. Nemma Ses ruhig, des Viecherl.« Er klatschte dem Eisblock liebevoll auf die halbe Schulter. Dann förderte er aus der Tiefe seiner Jacke noch einen ganzen Kranz Weißwürste ans Tageslicht. »Ganz frisch! Da frühstückens jetz erst amoi mit eanere Kollegen. Oder san Sie vielleicht a Kearndlfresserin?«, fragte er in Evis Richtung.
»Seh ich so aus?«, fragte Evi, die tatsächlich vegetarisch lebte.
»Ja, Madl, weil an eana nix dro is. Sie san hoit z dürr.« Er sah richtig traurig aus.
Evi
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