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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Das war nicht mal böse gemeint, sondern wirkte ehrlich interessiert.
    »Tolle Frage. Was soll ich darauf antworten? Wovon reden Sie?«
    »Sie sind eine sehr hübsche Frau, sicher auch sehr klug, aber von der Landwirtschaft haben Sie keine Ahnung! Ach, wie romantisch! Oma und Opa im Austrag, die ganze liebe Großfamilie beisammen. Wissen Sie, wie die Realität aussieht? Es gibt nur Verlierer. Nur!«, sagte er düster.
    »Entschuldigen Sie, aber ich verstehe Sie wirklich immer noch nicht.«
    »Meine Eltern haben den Hof übergeben. Wie viele. Sie haben ein nettes Austragshäusl bekommen und kriegen von mir zweihundertfünfzig Euro Austrag im Monat«, sagte der junge Mann.
    »Ja, aber das ist doch normal, das ist der Deal zwischen den Generationen«, echauffierte Evi sich.
    »Der Deal? Hä? Genau. Ein beschissener Deal. Im Austragsvertrag steht, dass ich nicht verkaufen darf, bis die Eltern unter der Erde sind. Jede Änderung muss ich mit Ihnen absprechen. So steht’s im Vertrag. Das gibt es zuhauf, glauben Sie mir. Fast auf jedem Hof, da, wo man erwartet, dass der Erbe missraten ist. Neunzig Prozent aller Alten haben das erwartet. Der Hass wächst. Täglich. Auf beiden Seiten. Wir Jungen hassen die Alten, weil uns die Hände gebunden sind. Die Alten hassen uns, weil wir nichtsnutzig sind und moderne Ideen haben.«
    Evi schwieg. Die anderen auch.
    »Verblüfft Sie das? Mach ich Ihre Idee von der Romantik einer Bauernwelt kaputt? Warte ich jeden Tag auf den Tod meiner Eltern? Nein, obwohl das vielleicht sogar logisch wäre. Ich wünsch ihnen noch gute Jahre. Aber ich werde älter. Jeden Tag. Meine Zeit verrinnt. Alles, was ich machen wollte, darf ich nicht. Ich kann keinen Quadratmeter verkaufen. Ich kann mit meinen Hektaren angeben. Jeder, der’s weiß, lacht sich tot. Der Grund nutzt mir einen Scheißdreck. Also mach ich Kulap-Heu und halte Mutterkühe. Süß, mit den Kälbern bei Fuß. Goldig! Aber die Kohle reicht nicht. Hat nie gereicht. Sie kommen mir jetzt gleich wieder mit ihrem Schmu, dass wir ja so toll leben, ohne Miete zu zahlen. Wissen Sie, was ich reinheiz in die alte Hütte? Was die allein an Brandschutzversicherung kostet? Meine Kinder wollen auch zur Skiwoche. Die wollen auch coole Klamotten. Meine Frau will einmal im Jahr mit den Landfrauen in Urlaub. Wir haben den Zaster nicht. Sieht toll aus, unser Hofladen! Aber er wirft nicht genug ab. Bei weitem nicht!«
    »Und deshalb der Käse aus Dänemark?« Evi sprach sehr leise.
    »Ja, verdammt! Ich bin nicht stolz darauf. Aber der Käse von den bekannten Sennereien im Allgäu ist einfach zu teuer. Ich muss ja was draufschlagen, dass ich auch was verdien. Das zahlen die Leute nicht mehr. So läuft das.«
    »Und damit alles weiter läuft, haben Sie beschlossen, den Lepaysan mal besser aus dem Weg zu räumen. Er hat Sie doch erpresst, oder?«, fragte Gerhard.
    »Ja, hat er.« Der Mann war erstaunlich ehrlich.
    »Und?«
    »Ich hab nicht gezahlt. Womit auch?« Er sah Gerhard an, dann Evi, als ob sie die Frage hätten beantworten können.
    »Wie viel wollte er denn?«, wollte nun Baier wissen.
    »Fünftausend Euro.«
    Das schien Lepaysans Standard-Forderung gewesen zu sein.
    »Wo waren sie Dienstagnacht?«, fragte Gerhard.
    »Zu Hause. Ich war die halbe Nacht im Stall, weil meine beste Kuh kalben sollte.«
    »War jemand dabei? Ihre Frau? Ihre Kinder? Ein Tierarzt vielleicht?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Wenn Sie es genau wissen wollen: Meine Frau ist zu ihrer Schwester. Mit den Kindern. Weil es für den Urlaub eben nie gereicht hat und für die Kinder. Weil wir uns über all den Sorgen voneinander entfernt haben. Weil wir nicht wissen, ob es eine Brücke gibt zurück über den Graben.«
    »Ihre Frau ist gar nicht mehr am Hof?«, fragte Evi.
    »Doch, sie macht noch den Laden. Und die Buchhaltung. Ich habe keine Ahnung von Computern und dem ganzen Büroscheiß. Aber abends geht sie wieder. Ich hab kein Alibi. Nur Kühe sind meine Zeugen.«
    Er lachte voller Bitterkeit. Dann sprang er auf seinen Bulldog, einen alten Königstiger, und fuhr davon.
    Baier, Evi und Gerhard standen leicht betreten auf dem Hof herum und wollten gerade wieder ins Auto steigen, als ein älterer Nachbar um die Ecke lugte.
    Gerhard und Baier gingen zu ihm hinüber.
    »Entschuldigen Sie, aber können Sie mir sagen, ob Ihr Nachbar Dienstagabend und -nacht zu Hause war?«, fragte Gerhard.
    »Hot er Ärger?« Der Mann sah richtig erschrocken aus.
    »Nein, nein«, beeilte sich Gerhard zu sagen.

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