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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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beeilte sich zu versichern, dass sie selbstverständlich Weißwürste essen würde, um Tafertshofer nicht zu enttäuschen. Tafertshofer strahlte wieder und drückte Gerhard die Gefriersau in den Arm.
    »Also vergelts Gott, vergelts Gott!« Und weg war er.
    Mitten im Gang stand Gerhard mit einer Kette aus Weißwürsten und einer halben Sau. Evi hatte von irgendwoher eine kleine Digitalkamera gezaubert. Erst der Blitz ließ Gerhard aus seiner Erstarrung auftauchen, und dann lachte auch er. Bis es ihn schüttelte vor Lachen.
    »So«, sagte Baier. »Jetzt brauchen wir eine sehr große Kühltruhe.« Sie lachten noch, als Melanie und Felix ihre Ergebnisse präsentierten. »Ich schmeiß eine Runde Weißwürste«, lachte Gerhard, und als die Würste dann heiß waren, mampften sie alle zufrieden. Evi nagte an einer Breze.
    »Seid ihr sicher, dass es sich um den Hof auf dem Bild handelt?«, fragte Gerhard schließlich. Vier Weißwürste hatte er verdrückt.
    »Ziemlich. Wir sind inkognito durch unseren und die Nachbarlandkreise gefahren. Wir haben inkognito auf Hofläden eingekauft, ich habe eine Bio-Vergiftung.« Felix stöhnte und biss herzhaft in eine Leberkäs-Semmel. »Endlich was Ungesundes. Ihr könnt den ganzen Krempel übrigens haben. Melanie hat Öko-Nudeln gekauft und getrocknete Bio-Tomaten, Bärlauchpesten …«
    »Was?« Baier starrte ihn entgeistert an.
    »Na, Pesten. Oder wie heißt der Plural von Pesto?«
    »Pesti?«, warf Evi ein.
    »Ja, oder Pestos oder was auch immer. Jedenfalls muss jemand das ganze Zeug essen. Wär ja doch schade, wenn’s verkommt. Selbst bei so ‘nem Öko-Scheiß. Ich ess das aber nicht. Sie sind doch so ein Gesundheitsfreak«, sagte Felix in Evis Richtung. Er beeilte sich hinterherzuschicken: »Was Ihnen natürlich sehr gut tut.« Er lächelte sie nachgerade verliebt an.
    »Danke, Herr Steigenberger, ich liebe Pesten oder Pesti oder Pestos.«
    »Und Evi wird auch unsere Testkäuferin. Sie ist als dumme fränkische Touristin unterwegs«, stichelte Gerhard.
    »Die Kollegin wird das übernehmen. Als Touristin. Nicht als dumme!«, Baier warf Gerhard einen strafenden Blick zu. Doch, die rotteten sich zusammen gegen ihn. Franken und Oberbayern gegen das Allgäu. Schulterschluss von Kernland und Franken, na das war ja eine Mischung.
    »Ja, und wo ist der Hof jetzt?«, fragte Gerhard.
    Als Melanie und Felix die Adresse nannten, pfiff Baier durch die Zähne.
    Melanie nickte. »Das hat was, oder? Der Vorzeige-Öko. Der heroische Kämpfer gegen Umweltsünder.«
    »Klärt ihr uns auf?«, fragte Evi.
    Den Namen hatte Gerhard schon öfter mal gehört und in der Zeitung gelesen. Evi sagte er nichts, aber irgendwie hatte ihre Seele schwere Blessuren erlitten. Wo sie doch nur in Bioläden einkaufte. Und nun sollten ihre Ökos auch Betrüger sein?
    Drum war es auch Evi, die, als sie den Hof erreicht hatten, der hart an der Landkreisgrenze zu Tölz lag, das Wort ergriff. Die den Bauern, der auf den ersten Blick ein netter, sympathischer Kerl zu sein schien, sofort mit den Bildern konfrontierte. Er trug heute sogar das gleiche Käppi. Er machte gar keine Anstalten zu leugnen, sondern bat sie in die Küche, die augenscheinlich von Ikea stammte. Ein moderner Landwirt eben.
    »Warum tun Sie so was?«, fragte Evi.
    »Weil ich Geld brauch.«
    »Na, hören Sie mal. Sie haben Grund, viel Grund. Warum erzählt uns der Bauernstand eigentlich immer, wie schlecht es ihm geht? Sie verkaufen ein paar Bauplätze und werden Millionär. Ohne die Prozedur von Jauch! Sie leben in einem großen Haus, inmitten von Wiesen. Im schönsten Teil der Republik. Davon träumt der Rest der Welt. Sie haben Platz, manchmal auch Zeit. Sie leben in und mit der Natur. Mit Tieren. Ihre Kinder haben die Chance, beide Eltern den ganzen Tag zu sehen, nicht bloß die genervte Mama und abends den gestressten Ernährerpapa, der nach U-Bahn stinkend und nach Arbeitsplatz-Verlust-Angst schnell noch ‘nen Gutenachtkuss gibt. Wissen Sie, dass man vor Angst wirklich stinken kann? Ihre Kids haben sogar die Großeltern täglich um sich.«
    Wow! Was für eine Rede. Gerhard sah Baier an, der bedächtig nickte. Ja, Evi war eine Gute.
    »Genau, die Oma und den Opa. Eine Generation überspringt die Probleme. Meine Kids sind noch jung. Die können Opi noch lieben.« Er rotzte Evi das so richtig hin.
    War der Mann dem Wahnsinn anheim gefallen? Was redete der da?, dachte Gerhard.
    »Muss ich das verstehen?«, fragte Evi.
    »Sie haben keine Ahnung, oder?«

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