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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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mit Frankreich. Dort weigerte man sich geflissentlich, Englisch zu sprechen, wohingegen Evis neuer Mailfreund ganz hervorragend Englisch sprach, sogar zurückrief und sich sofort auf den Weg machen wollte, um den Lanzenmacher Havelka aufzusuchen. Ihm Fingerabdrücke abzunehmen. Ihn zu befragen. Und das alles am Sonntag!
    »Und was machen wir im Fall Verbier?«, fragte Gerhard. »Diese Hanswursten da drüben mit ihrer dämlichen Sprache.« Er hatte mal zwei Jahre in der Schule Französisch gehabt. Es war das Desaster seines jungen Lebens gewesen. »Ein Land, das Frösche und Schnecken isst und das den Subjonctif erfunden hat, kann man als Weltmacht nicht ernst nehmen«, pflegte er stets zu dozieren.
    »Bevor du jetzt noch Reden auf den Erbfeind anstimmst, wir haben jemanden im Büro mit hervorragenden Französischkenntnissen«, sagte Evi.
    »Wer?« Gerhard klang, als wäre allein die Kenntnis dieser Sprache eine Erbsünde.
    »Melanie Kienberger.«
    »Was, das Brauereiross?« Das war ihm so rausgerutscht, weil Melanies Hinterteil wirklich beachtlich war. Vor allem im Verhältnis zu ihrem eigentlich schmalen hübschen Gesicht.
    »Arschloch! Du hast auch ‘ne ganz nette Wampe entwickelt. Wer im Glashaus sitzt, Weinzirl!«
    Gerhard sah an sich herunter. Evi hatte Recht, bedingt zumindest. Wampe war es keine, aber ein Bäuchlein. Vom Waschbrett seiner Jugend war er weit entfernt. Immer diese Scheiß-Weibersolidarität. Evi war erst einige Tage hier und wusste, dass Melanie Französisch konnte. Er hatte das in einem halben Jahr nicht in Erfahrung gebracht. Er sollte sich für seine Mitarbeiter mehr interessieren und nicht bloß mit Baier rumgranteln. Still gelobte er Besserung.
    »Melanie kann also Französisch. Prima. Dann rufen wir sie an.« Wo eigentlich?, überlegte er. »Wo ist denn die Telefonliste?«
    In Evis Augen lag pure Verachtung. Sie zückte ihr Handy. Sie hatte die Nummer längst eingespeichert. Sie plauderte ein bisschen mit Melanie, kicherte und legte dann auf.
    »Sie ist in fünfundvierzig Minuten da. Sie muss nur noch ihr Pferd versorgen und sich umziehen.«
    Pferd! Sicher auch ein Brauereiross, ein Kaltblüter! Das zu sagen verkniff er sich wohlweislich und ging nochmals streng mit sich ins Gericht. Er hatte auch nicht gewusst, dass sie ein Pferd hatte.
    Als Melanie schließlich auftauchte, frisch geduscht mit noch feuchten Haaren, gab er sich Mühe.
    »Was für ein Pferd haben Sie denn?«, fragte er jovial.
    Sie schaute ihn überrascht an. »Einen Quarter.«
    Aha, kein Brauereigaul. »Westernreiterin, soso. Meine Vermieter haben einen Norweger und ein Shetty. Eine, äh, Freundin von mir hat auch Isländer.«
    Er dankte im Geiste dafür, von pferdenärrischen Frauen umgeben zu sein, und dachte an Jo. Sein Pferdemädel, seine Pippi Langstrumpf. Seine? Nein, seine war sie schon lange nicht mehr. Und diese Erkenntnis drängte gerade jetzt heran – in einer solchen Heftigkeit, dass er tief durchatmen musste.
    Melanie freute sich richtig, dass er was von Pferden verstand, und mehr noch freute sie sich über den Auftrag. Vor allem als sie hörte, um wen es ging. Juckie Verbier. Gerhard und Melanie kamen überein, dass sie sich den französischen Patienten krallen, Gerhard und Baier gleich in der Frühe nach Garmisch fahren würden und sie sich alle dann gegen Mittag im Büro zusammensetzen wollten. Bevor er nun von noch einer Frau eine Lobeshymne auf Ritterpferde hören würde, flüchtete er. Zum Joggen! Hatte er echt eine Wampe?
    Gerhard holte Baier am Montag um acht Uhr ab, um nach Garmisch aufzubrechen. Die Sonne schien und schickte sich an, zum ersten Mal seit Wochen einen Tag sommerlich zu erwärmen.
    Immer noch hatten Fahrten zu Befragungen für Gerhard etwas von Ausflugsfahrten. Von Lerne-deine-Heimat-kennen-Ausflügen. Er hatte noch viel zu wenig gesehen, überlegte er, als sie Murnau umrundeten. Nur einmal hatte er in Deutschlands schönster Fußgängerzone gesessen, hatte ein Weißbier im Central getrunken und beim Conrad einen Fleecepullover gekauft. Er hatte sich gefühlt wie beim Shopping-Ausflug, fast unerlaubt war ihm der Tag vorgekommen. Er und Shopping. Oder Lädala, wie man im Allgäu sagte. Er hatte Zeit gehabt, sein Weißbier in Ruhe zu süffeln. Kein Handy hatte geläutet.
    Sie fuhren am Murnauer Moos entlang, ein weiches Morgenlicht lag auf den vielfarbig bunten Gräsern, rostrot, aubergine, gelb wie öliger Whisky, eine Farbpalette, die nur die Natur so erfinden konnte. Baier schien

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