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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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eingeflößt, zwei seiner ehemaligen Mitarbeiter angestiftet hat, einen Ritter zu verprügeln. Aber Marco und seine Truppe wollten nicht weichen. Also hat er zu härteren Bandagen gegriffen und die Lanze präpariert.«
    »Ja, das hat er mir erzählt, dass er nie jemand hatte verletzen wollen!«
    »Das bin ich sogar bereit zu glauben. Er sagt, er wäre der Meinung gewesen, die Ritter trügen im Training Schutzkleidung. Es sollten nur Warnschüsse sein.« Baier stemmte sich wieder hoch.
    »Aber warum? Warum denn? Was heißt denn, er wollte mich schützen? Wovor denn nur?« Steffi weinte.
    »Davor, den gleichen Fehler zu machen wie Ihre Mutter.«
    »Aber ich bin ich! Ich!«
    »Aber Sie können sich vorstellen, dass er Frankreich hassen musste. Die Franzosen. Französische Ritter. Wegen Ihrer Mutter. Musste er nicht denken, dass ein Franzose ihm die einzige Tochter geraubt hat?«
    Steffi war inzwischen ausgestiegen. »Aber es war kein Franzose. Er waren zwei Schweine …« Sie brach ab.
    »Steffi, wir haben den Brief gelesen. Wir mussten ihn lesen. Es ging nicht anders. Bitte verzeihen Sie dieses Eindringen in Ihre Privatsphäre.«
    »Schon gut. Dann wissen Sie ja, was drinsteht. Da steht, dass mein Vater kein so dahergelaufener Ritter war. Und mein Opa, er glaubt das nicht. Glaubt das einfach nicht! Ich hab den Brief so lange gehabt, ich hatte ihn bei meinem sechzehnten Geburtstag von einer Freundin meiner Mutter bekommen. Vor vier Jahren war das. Ich hab ihn meinem Opa nie gezeigt. Bis heute. Und nun glaubt er das nicht.« Sie schluchzte.
    »Haben Sie die Familie Ihres Vaters gesucht?«, fragte Gerhard. Das tat zwar am wenigsten zur Sache, aber er folgte einem Impuls. Er wollte etwas Klares sagen, eine klare Frage stellen.
    »Zuerst nicht. Ich wollte wissen, wer meine Mutter vergewaltigt hat. Ich wollte Opa zur Rede stellen. Ich wollte das ganze Dorf anzünden, in die Luft sprengen, sie alle erwürgen, erschießen. Aber ich hatte kaum eine Erinnerung an das Dorf. Ich war drei, als wir fortgingen. Ich war nie mehr dort. Und dann habe ich bemerkt, dass mir das alles nichts nützen würde. Und meiner Mutter auch nicht mehr. Ich war immer das Mädchen ohne Eltern. Kein Vater, die Mutter hat sich umgebracht. In Rottenbuch waren sie alle sehr lieb zu mir, auch in Garmisch auf dem Gymnasium, aber es war doch ein Makel. Nun hatte ich einen Vater, einen, der meine Mutter geliebt hatte. Das war viel mehr als viele meiner Freundinnen hatten. Die hatten nur Streit, keifende Eltern, Scheidungen, neue Geschwister, neue Väter, neue Mütter, diese ganzen dummen Patchworkfamilien.«
    Gerhard nickte ihr aufmunternd zu. Es war gut, dass sie redete.
    Und sie fuhr fort. »Ja, und dann hab ich Kontakt aufgenommen. Sie wussten von mir. Mein Vater hatte ihnen von mir erzählt vor seinem Unfall. Sie hatten viele Jahre versucht, meine Mutter zu finden. Aber sie hatten ja nichts. Sie wussten auch nicht, dass sie sich umgebracht hat. Wir mailten Fotos hin und her. Deshalb war ich ja auch so froh, in Kaltenberg zu sein und Cedric getroffen zu haben. Er stammt aus Amiens. Er hat mir viel von der Gegend erzählt. Er hat mir ein paar Broschüren mitgebracht.«
    »Und Ihr Opa hat das beobachtet und wahrscheinlich geglaubt, dass Sie was von Cedric wollen«, sagte Gerhard.
    »Aber ich wollte doch gar nichts von ihm. Ich will ein bisschen vorbereitet sein, denn ich werde im August hinfahren. In die Picardie. Ich muss das nur noch Opa beibringen.«
    Ihre schmalen Schultern wurden von einer neuen Woge des Weinens erschüttert, weil ihr bewusst wurde, dass sie ihm das wohl nicht mehr beibringen musste.
    Evi hatte Steffi Taschentücher gereicht. Sie versuchte ein Lächeln. Und auf einmal fühlte Gerhard eine große Kraft und Optimismus. Wann immer man etwas verliert, gewinnt man etwas dazu. War das nicht so? Steffi würde eine neue Familie in Frankreich dazugewinnen. Es würde dauern, aber da war Hoffnung, Aufbruch, ein Weg. Kein leichter, aber doch ein Weg, der sichtbar war. Es war ein wenig pervers angesichts der Situation, aber er fühlte sich gut. Besser als seit vielen Wochen.
    Baier nahm Steffi ganz sachte an die Schulter. »Darf ich Ihr Auto fahren? Würden Sie mich nach Weilheim begleiten?«
    Sie nickte.
    Evi und Gerhard sahen dem davonrollenden Polo nach.
    Evis Augen waren weit aufgerissen. »Warum reden die Menschen nie miteinander oder erst, wenn es zu spät ist?«

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