Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
komplette Ritterinterviews!
Interview mit Herrn Artus
Herr Artus, haben Sie wirklich gelebt?
Artus: Das wüssten Sie gerne, hä? Ich verfolge ja mit großem Interesse, was für ein Rätselraten über meine Person so stattfindet. Mal war ich ein britischer Feldherr des 5. Jahrhunderts, der Enniaun Girt hieß. Dann berichtet so ein Schreiberling namens Jordanes, der 551 die Geschichte der Goten verfasst haben soll, ich sei ein Depp namens Riothamus, der mit zwölftausend Mann dem römischen Kaiser Anthemius zu Hilfe eilte. Wo soll ich die denn alle herhaben! Sehr amüsant ist auch die Deutung meines Namens: Von keltisch ART , Bär und dem lateinischen URSUS , das ebenfalls Bär bedeutet. Also ARTURSUS , später zu ARTUS abgekürzt. Wer, bitte schön, wäre so blöd, jemandem den Namen BärBär zu geben? Es sei denn, er stottert.
Also sind Sie doch bloß ‘ne Sagenfigur?
Artus: Was heißt denn bloß? Und wenn, dann hat das unschätzbare Vorteile. Das keltische Krönungsritual sah vor, dass eine weiße Stute geschlachtet und zu Suppe gekocht wurde, in der der künftige König baden musste. Ist das widerlich! Außerdem geht das zeitlich alles durcheinander: Das Krönungsritual stammt aus dem 12. Jahrhundert, da, wo ich gelebt haben soll, gab’s noch gar keinen König. Aber seien wir doch mal ehrlich: Ich nutze der Tourismusindustrie von England bis Wien!
Bis Wien?
Artus: Klar! Und das hat mit diesem dämlichen Gral zu tun. Die Achatschale, eines der beiden »unveräußerlichen Erbstücke des Hauses Habsburg«, so sagen die Nusser, befindet sich in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums in der Wiener Hofburg. Soll der Gral sein. Und dann hätten wir noch die Kathedrale von Valencia, wo in einer Seitenkapelle ein Kelch aus Achat als Reliquie rumliegt. Auch der Heilige Gral! Na ja, und dann natürlich Glastonbury im Südwesten Englands, wo 1190 meine sterblichen Überreste und die von Guinevere entdeckt wurden. Na, ich versteh die Mönche, die haben dringend Aufmerksamkeit gebraucht und Geld, um ihre abgebrannte marode Kirche zu renovieren. Gutes Marketing, sag ich Ihnen. Der Turm von Glastonbury soll die Verkörperung Avalons sein. An seinem Fuß gibt’s den Kelchbrunnen, der nie versiegt, weil da – Sie ahnen es – der Heilige Gral versteckt wurde. Himmel! Na, und denken Sie an Winchester Castle in Südengland, wo noch heute ein runder Tisch aus dem 13. Jahrhundert rummodert. Das soll meine Tafelrunde sein. Und St. Michael’s Mount in Cornwall, Südengland, und dann noch ein paar Orte in den Pyrenäen – als ob ich jemals in den Pyrenäen gewesen wäre.
Aber lieber Herr Artus, das geht auch alles ganz schön wild durcheinander mit der Artus- und Gralssage. Da blickt doch keiner durch!
Artus: Ja, ist das vielleicht meine Schuld! Jeder Trottel dichtet doch an dem Stoff rum. Und angefangen hat dieser blöde Wace, der in Altfranzösisch, das kann doch kein Schwein lesen, eine Reimchronik über die »Geschichte Britanniens« verfasst hat. Der hat seine Phantasie ja schwer strapaziert – mit Tafelrunde und Avalon. Und alle Nachfolger haben ein Brimborium drum gemacht, dabei waren Reisen in die Anderswelt ja damals gar kein Problem. Dazu musste man nicht mal tot sein.
Also sind Sie gar nicht gestorben?
Artus: Ha, das ist eine Fangfrage. Foppen Sie den alten Artus nicht. Wenn ich gestorben wäre, hätte ich ja vorher gelebt. Und wenn ich schon von drei reizenden Priesterinnen nach Avalon geholt werde, dann werd ich Ihnen wahrlich nicht auf die Nase binden, ob ich da immer noch lebe. Ein Mann braucht Geheimnisse.
Ja, dann lüften Sie doch wenigstens das Geheimnis, ob Sie der Sohn von Uther und Igraine gewesen sind und mit fünfzehn König von England und Wales waren und Ihre Ritter an einem runden Tisch versammelten, um Rangstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen?
Artus: Kennen Sie Fünfzehnjährige, die so klug wären?
Okay, Herr Artus, dann bitte eine Kurzversion Ihres Lebens.
Artus: Es gibt ja so viele! Ich blick da auch nicht durch. Nehmen wir mal einen Mittelwert: Ich werde als Baby von Merlin bei meinen Eltern weggeholt und von Antor zusammen mit dessen Sohn Kay erzogen. Ich denke, ich wäre der Sohn von Antor. Nachdem ich ein Schwert aus einem Stein gezogen habe …
Entschuldigung, dass ich unterbreche, aber wurde Ihnen das Schwert nicht von einer Hand, die aus einem See kam, gereicht?
Artus: Na, das wäre aber unsportlich für einen Ritter! Stein, sag ich, und das Schwert macht unverwundbar.
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