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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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dazwischen auch etwas, das wie ein Mäuseskelett aussah. Nichts davon war beschriftet, weder mit dem Namen der Art noch mit dem Fundort. Als Erlendur wieder hochblickte, sah er, dass Daníel den nächsten Kasten anschleppte, diesmal einen hölzernen, der ursprünglich für die Flaschen einer Sprudelmarke gedacht war, die schon lange nicht mehr produziert wurde, ein Getränk, das Erlendur nie über die Lippen gekommen war.
    In diesem Kasten war der Inhalt besser geordnet als in dem anderen. Einige Knochen steckten in braunen Umschlägen, auf denen vermerkt war, um was für eine Tierart es sich handelte und wo Daníel senior sie gefunden hatte. Erlendur kam es so vor, als hätte Daníel irgendwann einmal einen Versuch gemacht, das, was sich bei ihm angesammelt hatte, systematisch zu ordnen, bis er es wieder aufgegeben hatte, weil sich die Objekte rascher vermehrten, als er sie sortieren konnte.    
    »Mit Knochen kannte er sich richtig gut aus«, hörte er Daníels Sohn weiter hinten im Schuppen sagen. »Vor allem mit Vogelknochen. In jungen Jahren hat er sogar mal gelernt, Tiere zu präparieren, aber er hat das nicht zu seinem Beruf gemacht, das war nur so ein Hobby von ihm. Drinnen im Haus ist ein weißer Fuchs, den er ausgestopft hat, und zwar sehr gut. Auch ein Falke, falls du dich für so was interessierst.«
    »Dann hat er wohl auch diesen Raben hier ausgestopft?«, fragte Erlendur und wies auf den großen schwarzen Vogel, der auf einem Regal knapp unter der Decke stand.
    »Passt«, sagte Daníel junior. »Den hat er auch ausgestopft. Du bist wohl aus Reykjavík«, erkundigte er sich dann.
    »Ja, ich lebe in Reykjavík«, sagte Erlendur und besah sich die Umschläge in dem Karton. Sein Interesse war erwacht. Auf einem stand: Loðmundarfjörður, Küstenseeschwalbe. Er öffnete ihn, und ein komplettes Vogelskelett glitt ihm in die Hand.
    »Er hat immer darüber geredet, seine Knochen in Glaskästen auszustellen, alles genau zu beschriften und das Ganze dem Gymnasium in Egilsstaðir zu vermachen. Einen solchen Kasten hat er vor langer Zeit anfertigen lassen, aber den kann ich nicht finden. Irgendwann mal habe ich ihn hier irgendwo gesehen. Keine Ahnung, wo der abgeblieben ist.«
    Erlendur ließ das Vogelskelett zurück in den Umschlag gleiten. Daníel brachte ihm den nächsten Karton. Darin befanden sich kleinere Kästchen und Schachteln, die besser beschriftet waren als die Umschläge. Anscheinend war Daníel bei diesem Teil der Knochensammlung recht systematisch vorgegangen.
    Erlendur nahm eine Schachtel in die Hand. Auf dem Deckel klebte ein weißer Zettel mit Informationen darüber, wo und wann er den Inhalt gefunden hatte und von welcher Tierart er stammte. Am Fuß des Snæfell, stand auf einem, Goldregenpfeifer . Erlendur entnahm dem Karton weitere Schachteln und sah sie sich genauer an. Auf einer befanden sich ein Fragezeichen und der Vermerk:
    Nordseite des Harðskafi.
    Die Worte waren mit Bleistift geschrieben. Das Fragezeichen erregte sein Interesse.
    Er öffnete die Schachtel, und ihm war sofort klar, dass es sich um kleine, menschliche Knochen handelte. Er hatte einmal die sterblichen Überreste eines vierjährigen Mädchens ausgegraben. Er starrte in die Schachtel, und ein seltsamer Schauder durchfuhr ihn.
    »Bist du auf was Interessantes gestoßen?«, fragte Daníel von irgendwo weiter hinten. Er hatte bemerkt, dass sein Gast wie zur Salzsäule erstarrt dastand und eine Schachtel mit Knochen in der Hand hielt.
    »Hat dein Vater jemals über verschollene Menschen hier oben in den Bergen gesprochen?«, fragte Erlendur, der seine Augen nicht von den Knochen abwenden konnte.
    »Verschollene Menschen? Nein.«
    »Über ein Kind aus Eskifjörður, das vor etlichen Jahrzehnten in den Bergen ums Leben kam?«
    »Nein, darüber hat er nie gesprochen«, sagte Daníel. »Nicht mit mir.«
    »Ganz sicher?«
    »Ja, daran würde ich mich erinnern.«
    Erlendur starrte das Fragezeichen auf dem Deckel an. Daníel senior hatte nicht gewusst, was er da auf seinem Weg an der Nordseite des Harðskafi gefunden hatte, es aber trotzdem in die Tasche gesteckt, denn er interessierte sich für Tierknochen, die er auf seinen Streifzügen fand. Daníel war Amateur. Vielleicht hatte er sich vorgenommen, später einmal herauszufinden, was für Knochen das waren, hatte sie möglicherweise zu einem Spezialisten schicken wollen. Aber dazu war er nicht gekommen. Dabei hätte sich vermutlich herausgestellt, was für Knochen er gefunden

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