Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
auf der Baustelle des Aluminiumwerks?«
»Nein, ich kam hier bloß ganz zufällig vorbei. Ich arbeite nicht hier.«
»Mein Vater hat alle möglichen Sachen gefunden«, sagte der Mann. »Allen möglichen Krempel. Einiges davon hat er aufbewahrt.«
»Vielleicht etwas aus Nestern oder Fuchsbauen?«
»Ganz sicher. Und auch vom Strand. Er hat Muscheln und Steine gesammelt und Tierknochen. Es hätte dir bestimmt Spaß gemacht, ihn zu treffen.«
»Wirklich bedauerlich, dass er nicht mehr lebt.«
»Ach nein, er war doch schon steinalt und zum Schluss ans Bett gefesselt, und das war weiß Gott nicht sein Ding. Er war heilfroh, das Zeitliche zu segnen. Möchtest du vielleicht einen Blick auf das Zeug werfen, das er gesammelt hat? Der Schuppen ist voll davon. Ich hab mich noch nicht dazu aufraffen können, etwas von dem Kram wegzuschmeißen. Wahrscheinlich wär’s am besten, das ganze Ding einfach anzuzünden.«
Erlendur zögerte. Es war ein langer und schwieriger Tag gewesen.
»Ja, du musst es natürlich selber wissen«, sagte der Mann und wartete auf eine Antwort.
»Es schadet vielleicht nicht, einen Blick darauf zu werfen«, sagte Erlendur. Der Mann zeigte sich hilfsbereit, und Erlendur fand es ungehörig, nicht darauf einzugehen.
»Übrigens heiße ich Daníel wie er«, sagte er und hielt Erlendur die Hand hin. »Daníel Daníelsson. So heißen nicht viele.«
Mit dieser Bemerkung konnte Erlendur nicht viel anfangen. Der Mann ging zu einem betonierten Schuppen hinter dem Haus, wo noch mehr Finsternis herrschte, und Erlendur folgte ihm schweigend. Aus diesem Schuppen hatte möglicherweise einmal eine Garage werden sollen. Daníel öffnete die Tür und schaltete eine Birne ein, die von der Decke herunterbaumelte.
Der ausgefuchste alte Kerl, wie Lúðvík ihn genannt hatte, war leider nicht sehr organisiert gewesen und hatte seine Schätze völlig unsystematisch angehäuft. Der Schuppen war vollgestopft mit unversehrten und kaputten Gegenständen, die dieser Mann gesammelt und offensichtlich einfach da abgelegt hatte, wo er gerade stand. Erlendur war in der Tür stehen geblieben und zögerte. Er fand, dass er da drinnen nichts zu suchen hatte.
»Da siehst du, was ich meine«, sagte Daníel junior. »Meinst du nicht auch, es wär am einfachsten, hier ein Streichholz dranzuhalten?«
»Ich glaube nicht, dass mir das hier irgendetwas nützen wird«, sagte Erlendur höflich. »Tut mir leid, und ich möchte dich auch nicht länger belästigen. Am besten gehe ich wieder.«
»Du wolltest etwas über Fuchsbaue wissen«, sagte Daníel.
»Ja, ist schon in Ordnung. Ich habe nicht viel Zeit.«
»Hier drinnen sind ein paar Kisten, ich glaube drei, mit Kartons und Umschlägen, in denen er seine Tierknochen aufbewahrt hat. Früher hat er sie mir oft gezeigt und genau gesagt, wo er sie gefunden hat, und so etwas. Es ist eine ganz ansehnliche Sammlung. Auch Fuchsknochen, sogar ziemlich viele. Spekulierst du auf so etwas?«
Daníel junior brach sich Bahn durch das Chaos, indem er diverse Dinge wie Autoersatzteile, Reifen und ein Fahrradgestell aus dem Weg räumte. An den Wänden waren unterhalb der Decke etliche Klempnermaterialien aufgehängt, gerade und gekrümmte Rohrleitungen. Erlendur sah zwei alte Schrotflinten, die aber wohl zu nichts mehr zu gebrauchen waren. Bei der einen fehlte der Abzug, und bei der anderen passten Lauf und Schaft nicht zusammen. In einer Ecke sah er einen ausgestopften Raben und eine Tierhaut, die er nicht einordnen konnte. Daníel pflügte sich zum hinteren Bereich des Schuppens durch, und Erlendur bereute es sehr, ihn aus dem Schlaf geholt zu haben. Am liebsten hätte er sich sang- und klanglos aus dem Staub gemacht, und er fasste diese Möglichkeit ernsthaft ins Auge, als Daníel plötzlich von sich hören ließ.
»Hier ist was«, hörte er Daníel sagen und sah, wie er einen großen Pappkarton hochhielt. »Sieh dir das an, wenn du möchtest«, sagte er und überreichte ihm den Karton. »Ich schau mal nach, ob da nicht noch mehr ist.«
»Weißt du was, ich glaube, das ist nicht nötig«, sagte Erlendur, aber Daníel schien ihn entweder nicht zu hören oder nichts auf seine Worte zu geben.
Erlendur nahm den Karton an und stellte ihn auf einen Stapel alter Teppichfliesen. Der Karton war voller ausgebleichter Knochen, mit denen er sich nicht auskannte. Schädel von Vögeln und Katzen waren darunter, ein Fuchsschädel, Bein- und Rippenknochen von verschiedenen anderen Tieren und irgendwo
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